Rz. 22

Soweit eine Inanspruchnahme zu erwarten ist, liegt es im beiderseitigen Interesse der öffentlichen und freien Jugendhilfe, sich um einen Vereinbarungsabschluss zu bemühen. Dass Vereinbarungen lediglich anzustreben sind, macht andererseits deutlich, dass die freien Träger keinen Rechtsanspruch auf den Abschluss einer Vereinbarung gegen den öffentlichen Träger haben können (OVG Schleswig-Holstein, SchLHA 2002 S. 51; BVerwGE 108 S. 56; VG Osnabrück, Beschluss v. 13.11.2009, 4 B 13/09 Rz. 52; VG Münster, JAmt 2005 S. 44; VG Stuttgart, ZfJ 2004 S. 382; VG Oldenburg, Urteil v. 15.2.2005, 13 A 1148/03; VG Halle, Urteil v. 21.9.2006, 4 A 225/04). § 77 gibt der öffentlichen und freien Jugendhilfe auf, Vereinbarungen über die Höhe der Kosten der Inanspruchnahme von Einrichtungen und Diensten anzustreben. Verlangt ist also das Bemühen, nicht der Erfolg; dieser setzt die beiderseitige Mitwirkung voraus.

 

Rz. 23

Aus § 77 i. V. m. §§ 3 bis 5 folgt allerdings, dass die freien Träger einen Anspruch darauf haben, dass der öffentliche Träger ernsthaft in Verhandlungen über Pflegesatzvereinbarungen eintritt und ein verhandlungsfähiges, ausreichend substantiiertes Angebot unterbreitet (VG Halle, Urteil v. 21.9.2006, 4 A 225/04; DIJuF-Rechtsgutachten v. 7.12.2012, J 1.430 Sch, JAmt 2013 S. 91, 92). Ob es im Rahmen dieser Verhandlungen zu einem Abschluss der Vereinbarungen kommt, steht dann im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.

 

Rz. 24

Die freien Träger haben allerdings einen Anspruch darauf, dass dieses Ermessen durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe fehlerfrei ausgeübt wird (BVerwGE 94 S. 202, 207; OVG Lüneburg, FEVS 34 S. 419, 423; v. Boetticher/Münder, in: Münder u. a., FK-SGB VIII, § 77 Rz. 15; Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 77 Rz. 17; Ax/Schneider/Ottenströer, VR 2010 S. 328, 331; Engler, RsDE Nr. 71 (2010) S. 41, 63). Die Entscheidung des öffentlichen Trägers kann also daraufhin untersucht werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 VwGO; vgl. Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser u. a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 114 Rz. 4 ff.).

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