2.3.1 Zusammensetzung
Rz. 7
Die Arbeitsgemeinschaften, deren Bildung die öffentlichen Träger anzustreben verpflichtet sind, müssen eine bestimmte Zusammensetzung aufweisen.
Rz. 8
Neben den örtlichen bzw. überörtlichen Trägern gem. § 69 müssen die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe sowie die Träger geförderter Maßnahmen vertreten sein. Wer anerkannter Träger der freien Jugendhilfe ist, ergibt sich aus § 75. Die Anerkennung muss danach zugesprochen worden sein. Nur in den Fällen des § 75 Abs. 3 wirkt die Anerkennung unmittelbar durch Gesetz. Privilegiert werden hierdurch die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege.
Rz. 9
Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus folgt aus ihrer unter 1. dargestellten Funktion die Möglichkeit, auch andere Stellen, wie z. B. die Arbeitsverwaltung oder Vertreter von Schulen, einzubeziehen (Münder u. a., FK-SGB VIII, § 79 Rz. 6; Kern, in: Schellhorn, SGB VIII, § 78 Rz. 2). Für die Arbeitsgemeinschaften gilt insoweit nichts anderes als für die Jugendhilfeausschüsse, für die das Landesrecht eine beratende Mitwirkung solcher Stellen ausdrücklich vorsieht (vgl. z. B. § 5 1. AG KJHG NRW).
Rz. 10
Vertreten sein bedeutet, dass die freien Träger tatsächlich die Chance haben, gleichberechtigt mit den anderen Beteiligten auf die inhaltliche Arbeit und die Ergebnisse Einfluss zu nehmen (ähnlich auch Kern, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, § 78 Rz. 3, der von "gleichberechtigten Vertretern" spricht. Wenn Arbeitsgemeinschaften gebildet wurden, haben die freien Träger einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, in diesem Sinne in der Arbeitsgemeinschaft vertreten zu sein.
2.3.2 Organisation der Zusammenarbeit
Rz. 11
Die Vorschrift enthält keine formellen Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitsgemeinschaften. Es ist daher sowohl möglich, nur eine Arbeitsgemeinschaft zu errichten, als auch mehrere Arbeitsgemeinschaften mit spezifischen Kompetenzbereichen zu bilden (so auch Wiesner/Wapler/Schön, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 78 Rz. 4). Die Arbeitsgemeinschaften können auch dauerhaft oder projektbezogen, örtlich oder überörtlich eingerichtet werden. Es ist außerdem möglich, den Arbeitsgemeinschaften eine Rechtsform zu geben, beispielsweise die eines Vereins, einer GbR oder einer GmbH (Janda, in: BeckOGK, Stand: 1.2.2024, SGB VIII, § 78 Rz. 10). Das Gesetz räumt insofern einen großen Gestaltungsspielraum ein.
Rz. 12
Man wird allenfalls eine gewisse Stetigkeit hinsichtlich der Organisation und Dauer voraussetzen müssen, um das Bestehen einer Arbeitsgemeinschaft annehmen zu können. In der Praxis sind in den Ländern zumeist Arbeitsgemeinschaften für die Bereiche Hilfe zur Erziehung, Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit sowie Tagesbetreuung gegründet worden. Der Gesetzeswortlaut lässt aber beispielsweise auch eine sozialraumorientierte Bildung von Arbeitsgemeinschaften zu.
Rz. 13
Ob die Arbeitsgemeinschaft sich mit einzelnen Aufgaben und Leistungen der Jugendhilfe befasst oder ein Paket von Leistungen bearbeitet, ist dabei ebenso offen wie die Dauer der Arbeitsgemeinschaft.
Rz. 14
Die Arbeitsgemeinschaften haben die Möglichkeit, sich eine Geschäftsordnung zu geben, um die Zusammenarbeit zu strukturieren. Ratsam erscheint es, wenn die Arbeitsgemeinschaft aus ihren Reihen einen Sprecher bzw. Vorsitzenden bestimmt.
Arbeitsgemeinschaften verfügen grundsätzlich über keine eigenen Entscheidungsrechte. Sie sind darauf beschränkt, Stellungnahmen und Empfehlungen abzugeben. Sie sind auf die freiwillige Bereitschaft zu deren Umsetzung aufseiten der beteiligten Träger angewiesen (Trésoret, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 78 Rz. 42). Die Vorschrift lässt zwar erkennen, dass die Funktion der Arbeitsgemeinschaften wesentlich vom Konsens lebt. Diesen anzustreben, schließt eine einverständlich bestimmte rechtliche Bindungswirkung der Beschlüsse indessen nicht aus. Das beinhaltet auch eine Bindungswirkung zulasten der Träger, die den in der Arbeitsgemeinschaft vertretenen Verbänden angeschlossen sind, soweit diese Träger einer solchen Bindungswirkung zugestimmt haben.