Rz. 2

§ 22 übernimmt im Wesentlichen wortgleich die Regelung des bisherigen § 26 BSHG. Auszubildende, deren Ausbildung dem Grunde nach durch Ausbildungsförderung nach dem BAföG, durch Berufsausbildungsbeihilfe oder durch das Ausbildungsgeld nach dem SGB III förderungsfähig sind, haben im Grundsatz keinen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Auszubildende den spezialgesetzlichen Regelungen der Ausbildungsförderung zugewiesen werden sollen. Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende findet sich eine Parallelvorschrift in § 7 Abs. 5 SGB II, nach dessen Satz 1 Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben. Die frühere Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II a. F., nach der ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auch für Auszubildende in einer nach §§ 51, 57 und 58 SGB III förderungsfähigen Berufsausbildung ausgeschlossen waren, wurde durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. b des Neunten Gesetzes zur Änderung des SGB II – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016 (BGBl. I S. 1824) mit Wirkung zum 1.8.2016 neu gefasst. Die Schnittstelle zwischen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Ausbildungsförderung sollte entschärft werden (vgl. BT-Drs. 18/8041 S. 30 ff.). Seitdem sind Auszubildende, deren Berufsausbildung oder Berufsausbildungsvorbereitung nach den §§ 51, 57 und 58 SGB III förderungsfähig ist, nicht ausgeschlossen und sie können bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Arbeitslosengeld II aufstockend zu ihrer Ausbildungsvergütung und einer ggf. zu beanspruchenden Förderung mit Berufsausbildungsbeihilfe erhalten. Die Änderungen waren auf das SGB II beschränkt und eine entsprechende Entschärfung wurde für § 22 nicht vorgesehen. Von einer Planwidrigkeit (so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 13.2.2018, L 8 AY 1/18 B ER, Rz. 29) kann jedoch nicht ausgegangen werden, denn für ein bewusstes Beibehalten der bestehenden Leistungsausschlüsse in § 22 sprechen die durch Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes v. 13.8.2019 (BGBl. I S. 1290) vorgenommenen Änderungen in § 2 AsylbLG (vgl. dazu unter Rz. 6).

 

Rz. 3

Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist eher gering. Auszubildende sind regelmäßig erwerbsfähig i. S. d. SGB II, weshalb schon der Leistungsausschluss nach § 21 greift. Die Vorschrift stellt zum einen klar, dass Ausbildungsförderung keine Aufgabe der Sozialhilfe ist (so schon BVerwG, Urteil v. 29.4.1982, 5 C 54/81; bestätigt u. a. von BVerwG, Urteil v. 4.3.1993, 5 C 13/89). Derartige Leistungen ordnet der Gesetzgeber – insoweit systematisch korrekt – dem SGB III oder dem BAföG, ggf. auch dem SGB II zu. Darüber hinaus schließt § 22 aber alle Personen, die Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, von der Hilfe zum Lebensunterhalt aus. Soweit ein Student mithin ein Studium betreiben möchte, obwohl er die Anspruchsvoraussetzungen des zur Förderung dessen vorgesehenen Sozialleistungssystems nicht erfüllt, handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG um eine vom Auszubildenden selbst zu verantwortende Entscheidung (vgl. BSG, Urteil v. 6.9.2007, B 14/7b AS 36/06 R, Rz. 28 zu § 7 Abs. 5 SGB II a. F.). Dabei lässt die Vorschrift des § 22 es nicht zu, die nach dem BAföG nur pauschalen Förderungsleistungen für den Lebensunterhalt im Einzelfall mit individuell bemessenen, ergänzenden Sozialhilfeleistungen aufzufüllen (BVerwG, Urteil v. 3.12.1992, 5 C 15/90). Derartige Fälle können nur über die Härtefallklausel des Abs. 1 Satz 2 erfasst werden (krit. hinsichtlich der Frage, ob der Umfang der gegenwärtigen Härtefallklausel ausreicht: Fleischmann, NDV 1996, 398).

 

Rz. 4

Vor diesem Hintergrund stellt § 22 durch das Ausgrenzen einer ganzen Gruppe eine Ausnahme von § 9 Abs. 1 dar, wonach sich die Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalles richten. Das ist systematisch nicht unbedenklich, da die Funktion der Sozialhilfe auch darin besteht, nach anderen Gesetzen geschuldete Sozialleistungen je nach dem individuellen Bedarf zu ergänzen oder aufzustocken. Gleichwohl ist § 22 nach der Rechtsprechung des BVerwG mit Verfassungsrecht, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), vereinbar (BVerwG, Urteil v. 17.1.1980, 5 C 48/78; Beschluss v. 18.7.1994, 5 B 25/94). Das BSG (Urteil v. 6.9.2007, B 14/7b AS 36/06 R; Urteil v. 30.9.2008, B 4 AS28/07 R) hat die gleichlautenden Regelungen des § 7 Abs. 5 und 6 SGB II ebenfalls als verfassungsgemäß eingestuft.

 

Rz. 5

Seinem eindeutigen Wortlaut nach schließt § 22 für den betroffenen Personenkreis nur die Hilfe zum Lebensunterhalt aus, nicht dagegen sonstige Hilfen, insbesondere z. B. Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten oder in ande...

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