Rz. 3
Abs. 1 und 2 gehen letztlich zurück auf die im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelung des bis zum 31.12.2004 geltenden § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 BSHG. Der Hinweis auf die gemeinsame Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen folgt § 9 Abs. 1, wonach sich die Leistungen nach den Mitteln des Haushalts richten, in dem die Betroffenen leben. Er bewirkt, dass die Leistungsberechnung für Familien i. d. R. gemeinsam erfolgt und nur dann für einzelne Familienmitglieder durchgeführt wird, wenn einzelnen Mitgliedern der familiären Gemeinschaft ausreichend eigenes Einkommen und Vermögen zur Verfügung steht (zur Leistungsberechnung im Einzelnen vgl. Rz. 15 ff.). Damit wird stillschweigend das Konstrukt der sog. Einsatzgemeinschaft vorausgesetzt (vgl. Coseriu, in: juris-PK SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 27 Rz. 10 ff.; zum Begriff der Einsatzgemeinschaft im Einzelnen vgl. Rz. 5).
2.1.1 Grundnorm (Abs. 1, Abs. 2 Satz 1)
Rz. 4
Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 beschreiben in allgemeiner Form die zentrale Anspruchsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit für Leistungen nach dem Dritten Kapitel. Weder vom Wortlaut noch vom Inhalt her ergeben sich Abweichungen zu der Regelung des § 19 Abs. 1 (vgl. Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 46. EL VI/16, § 27 Rz. 5). Der einzige "Wert" der Bestimmungen liegt damit in der systematischen Angleichung an den Aufbau der übrigen Kapitel des SGB XII. Ob dies sinnvoll ist, wird unterschiedlich beurteilt (vgl. einerseits Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 27 Rz. 2, und andererseits Schoch, in: LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 27 Rz. 1). Hinsichtlich der inhaltlichen Einzelheiten der Bestimmungen in Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Komm. zu § 19 Abs. 1 verwiesen.
2.1.2 Einsatz-/Bedarfsgemeinschaft (Abs. 2 Satz 2 und 3)
Rz. 5
Abs. 2 Satz 2 und 3 bestimmt, wie die Bedürftigkeit bei nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern sowie minderjährigen unverheirateten Kindern zu ermitteln ist. Die betreffenden Personen bilden eine Einsatz- oder Bedarfsgemeinschaft. Die Terminologie (z. T. wird auch von Familiennotgemeinschaft oder Einstandsgemeinschaft gesprochen) ist nicht zwingend. Zur besseren Unterscheidung von der entsprechenden Konstellation im SGB II, wo ausdrücklich von einer Bedarfsgemeinschaft gesprochen wird (vgl. z. B. § 9 Abs. 2 SGB II), die aber konstruktive Unterschiede zum SGB XII aufweist (vgl. dazu Rz. 16), wird hier vorgeschlagen, für den Bereich des SGB XII den Begriff Einsatzgemeinschaft zu gebrauchen (instruktiv zur historischen Entwicklung der unterschiedlichen Begriffe Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 46. EL VI/2016, § 27 Rz. 16 bis 19). Dies entspricht auch – seit Anbeginn seiner Zuständigkeit für das Sozialhilferecht - dem Sprachgebrauch des BSG (vgl. z. B. Urteil v. 11.12.2007, B 8/9b SO 23/06, Rz. 21; Urteil v. 20.9.2012, B 8 SO 15/11 R, Rz. 25; Urteil v. 24.2.2016, B 8 SO 13/14 R, Rz. 16; Urteil v. 6.2.2018, B 8 SO 2/17 R, Rz. 16).
Rz. 6
Der Gesetzgeber geht von den typisierenden Annahmen aus, dass zum einen die bezeichneten Personen "aus einem Topf" wirtschaften und die finanzielle Leistungsfähigkeit des einzelnen Mitglieds daher durch die gemeinsamen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zutreffend beschrieben wird und dass zum anderen zwischen den Mitgliedern der Einsatzgemeinschaft eine so enge Beziehung besteht, dass sie in den Not- und Wechselfällen des Lebens füreinander einstehen.
Rz. 7
Dass bei den in Abs. 2 Satz 2 und 3 genannten Personen vielfach auch eine gesteigerte bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht besteht, darf nicht zu der Annahme verleiten, die Regeln über die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit orientierten sich am Familienrecht. Vielmehr stellen die Vorschriften eine rein öffentlich-rechtliche Regelung dar (vgl. auch Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 27 Rz. 6). Andererseits bleiben die Unterhaltsansprüche des Leistungsberechtigten ungeachtet seines Anspruchs auf Sozialhilfe bestehen. Sie gehen ggf. nach § 94 auf den Sozialhilfeträger über (vgl. die dortige Komm.).
Rz. 8
Dabei geht das Gesetz grundsätzlich davon aus, dass die jeweiligen Personen ggf. zu berücksichtigendes Einkommen und/oder Vermögen innerhalb der Einsatzgemeinschaft auch tatsächlich weiterleiten. Kann plausibel gemacht werden, dass dies nicht geschieht, sind dennoch Leistungen zu erbringen, weil bereite Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts fehlen (sog. Tatsächlichkeitsprinzip, vgl. dazu auch Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 27 Rz. 7 f. m. w. N., und Coseriu, in: juris-PK SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 27 Rz. 30).
Rz. 9
Das Gesetz nennt drei Typen von Einsatzgemeinschaften:
- nicht getrennt lebende Ehegatten,
- nicht getrennt lebende Lebenspartner,
- minderjährige unverheiratete Kinder, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen beschaffen können, mit ihren Eltern bzw. einem Elternteil.
Rz. 10
Der Begriff der Ehegatten richtet sich nach bürgerlichem Recht. Erforderlich ist eine wirksam geschlossene, nicht geschiedene, aufge...