Rz. 28
Die seit dem 1.1.2020 geltende Fassung von § 27 Abs. 3 führt die Ausnahme der Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Hilfebedürftigkeit fort. Voraussetzungen und Rechtsfolge haben aber Modifikationen erfahren. Die Leistung erfordert nunmehr zunächst eine Antragstellung. An die Stelle der Ermessensleistung ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ein gebundener Anspruch getreten.
Nicht i. S. d. § 27 Abs. 1 und 2 hilfebedürftige Personen, die einzelne im Haushalt erforderliche Tätigkeiten nicht verrichten können, erhalten auf Antrag einen angemessenen Zuschuss, wenn ihnen die Aufbringung der für die geleistete Hilfe und Unterstützung notwendigen Kosten nicht in voller Höhe zumutbar ist (Satz 1).Hierzu gehören Fälle, in denen der Haushalt weitergeführt werden kann, aber für einzelne Tätigkeiten von Dritten, die nicht zum Haushalt gehören, Unterstützung geleistet wird. Dies ist z. B. erforderlich, wenn Personen aufgrund körperlicher Einschränkungen größere Einkäufe nicht mehr bewältigen können oder aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen einzelne Verrichtungen im Haushalt nicht mehr allein vornehmen können (z. B. Fenster putzen, Gardinen ab- und aufhängen).
Durch die Neufassung sollte die vorherige Formulierung präzisiert und an vergleichbare Regelungen im SGB XII, so z. B. bei der Einkommensgrenze für Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel nach § 85, angeglichen werden. Dieses ist nicht zuletzt in Anbetracht der neu eingeführten unbestimmten Rechtsbegriffe "angemessen" und "zumutbar" nicht gelungen (vgl. Coseriu, in: juris-PK SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 27 Rz. 49).
Eine vollständige Übernahme erscheint vom Wortlaut her ("nicht in voller Höhe zumutbar") nunmehr ausgeschlossen zu sein, wohingegen bis zum 31.12.2019 noch die Heranziehung zu einem angemessenen Kostenbeitrag im Ermessen des Sozialhilfeträgers stand und eine Festsetzung nicht zwingend war.
Rz. 29
§ 27 Abs. 3 Satz 2 definiert die Angemessenheit der Aufwendungen. Als angemessen gelten Aufwendungen, die üblicherweise als Anerkennung für unentgeltlich geleistete Hilfen und Unterstützungen oder zur Abgeltung des entsprechenden Aufwandes geleistet werden. Satz 2 beschreibt mit den angemessenen Aufwendungen erkennbar die "notwendigen Kosten" i. S. v. Satz 1, nämlich solche Aufwendungen, die üblicherweise als Anerkennung für unentgeltlich geleistete Hilfe und Unterstützung oder zur Abgeltung des entsprechenden Aufwandes geleistet werden. Die Angemessenheit orientiert sich an finanziellen Anerkennungen für dem Grunde nach unentgeltliche Hilfen, weil die erforderliche Unterstützung nach der Annahme des Gesetzgebers regelmäßig im Rahmen verwandtschaftlicher oder nachbarschaftlicher Hilfen geleistet wird. Demgegenüber stellen Aufwendungen für sonstige, insbesondere professionelle Hilfskräfte den Ausnahmefall dar. Die Angemessenheit der Kosten und des Zuschusses kann von den verschiedensten Faktoren abhängen, insbesondere vom Wohnort und -umfeld (vgl. Coseriu, in: juris-PK SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 27 Rz. 51). Als unbestimmter Rechtsbegriff ist sie gerichtlich voll überprüfbar.
Rz. 30
Aufgrund der doppelten Verwendung des Begriffs "angemessen", in Satz 1 (in Bezug auf Zuschuss) und Satz 2 (in Bezug auf Aufwendungen), ist zunächst die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten und anschließend die Zumutbarkeit der Kostentragung durch den Antragsteller zu klären (vgl. zum Begriff der Zumutbarkeit in § 74 SGB XII: BSG, Urteil v. 4.4.2020, B 8 SO 10/18 R, Rz. 15 m. w. N.). Sind die Kosten notwendig und ist dem Antragsteller die Übernahme nicht in voller Höhe zumutbar, ergibt sich als Rechtsfolge der "angemessen" Zuschuss i. S. v. Satz 1. Eine weitere Angemessenheitsprüfung auf dieser Ebene erfolgt nicht, sodass die Zuschreibung "angemessen" hier verzichtbar gewesen wäre.
Rz. 31
Den Zuschuss erhält nicht, wer einen entsprechenden Anspruch auf Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX hat (§ 27 Abs. 3 Satz 3). Durch die Einführung von Assistenzkräften in § 78 SGB IX durch das BTHG zum 1.1.2018 für Personen, die Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX erhalten, ist eine Abgrenzung zwischen Unterstützungsleistungen nach dieser Norm und § 27 Abs. 3 SGB XII erforderlich, um Doppelleistungen zu vermeiden. Deshalb haben nach Abs. 3 Satz 3 Personen mit einem Anspruch auf Assistenzleistungen keinen Anspruch auf die kleine Haushaltshilfe. D.h. in Fällen einer solchen Anspruchsberechtigung greift stets der Ausschluss des § 27 Abs. 3, der dem Nachranggrundsatz (§ 2) Rechnung trägt.