Rz. 14
Dem unbestimmten Rechtsbegriff des notwendigen Lebensunterhalts hat der Gesetzgeber einige ausdrücklich benannte Bedarfstatbestände angefügt. Aufgrund dieser ausdrücklichen Hervorhebung gehören diese Tatbestände sozusagen zum Kernbereich des notwendigen Lebensunterhalts. Die Aufzählung als solche ist jedoch, wie aus dem Wortlaut des Abs. 1 Satz 1 ("insbesondere") hervorgeht, nicht abschließend (vgl. Rz. 31). Dennoch hat der Gesetzgeber als Konsequenz aus dem Urteil des BVerfG v. 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) den Katalog der Bedarfstatbestände in Abs. 1 um Bedarfe für Bildung von Schülerinnen und Schülern sowie zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben für Kinder und Jugendliche erweitert (BT-Drs. 17/3404 S. 120).
2.1.3.1 Ernährung
Rz. 15
Der Bedarfstatbestand der Ernährung deckt Aufwendungen ab, die für eine vollwertige Versorgung mit den notwendigen Nährstoffen (Kohlehydrate, Proteine, Fette, Vitamine und Mineralstoffe) und Getränken erforderlich sind. Diese Aufwendungen werden grundsätzlich durch die Regelsätze abgegolten. Dafür wird bei der Ermittlung der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben nach der EVS (zu Einzelheiten der Regelbedarfsbemessung vgl. die Komm. zu § 28) aus der Abteilung 01 Nahrungsmittel, alkoholische Getränke der Anteil für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke weiterhin mit 100 % berücksichtigt (vgl. BT-Drs. 18/9984 S. 36, BT-Drs. 17/3404 S. 53 und die jährliche Aufstellung von Schwabe, zuletzt ZfF 2020, 1). Hinzu kommt ein Substitutionsbetrag für den Erwerb von Mineralwasser anstelle von alkoholischen Getränken. Diese Vorgehensweise auf der Grundlage des sog. Statistikmodells ist nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ihr widerspräche es, durch Sachverständigengutachten klären zu lassen, ob die Regelbedarfe für Ernährung dem notwendigen Ernährungsbedarf auch tatsächlich entsprechen (so aber Roscher, in: LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 27a Rz. 5; wie hier Wrackmeyer-Schoene, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl. 2024, § 27a Rz. 14 m. w. N.; zu dieser Problematik auch Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 19.2.2021, § 27a Rz. 41).
Im Übrigen ergeben sich bereits aus den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (4. Aufl. 2014), auf deren Version von 2008 das BVerfG in seinem Urteil v. 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, Rz. 152) verweist (so auch für das SGB II: BSG, Urteil v. 10.5.2011, B 4 AS 100/10 R, Rz. 25 f.; BSG, Urteil v. 20.2.2014, B 14 AS 65/12 R, Rz. 13), und der wissenschaftlichen Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zum Thema Lebensmittelkosten im Rahmen einer vollwertigen Ernährung von April 2008 (abrufbar auf der Homepage des Deutschen Vereins im Internet unter http://www.deutscher-verein.de bzw. http://www.dge.de) Anhaltspunkte dafür, dass mit den in den Regelsätzen eingepreisten Beträgen für Getränke und Lebensmittel die Ernährung im Sinne einer sog. Vollkost möglich ist. Diese Annahme wird erhärtet durch die nun in Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung des Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII (DV 12/2020) umbenannten Hinweise sowie die Dokumentation "Kosten einer Ernährung nach den Empfehlungen der DGE" des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 20.12.2022 (Aktenzeichen: WD 5 – 3000 – 143/22).
Rz. 16
Die Mehraufwendungen, die regelmäßig wegen einer Erkrankung erforderlich werden (Krankenkost), werden im Rahmen des Mehrbedarfszuschlages nach § 30 Abs. 5 berücksichtigt (vgl. die dortige Komm. und die diesbezüglichen Empfehlungen des Deutschen Vereins s. o. Rz. 14). Für Kinder von 0 bis unter 6 Jahren und von 6 bis unter 14 Jahren ist bei der Bedarfsbemessung aus statistischen Gründen ein zusätzlicher Korrekturbetrag berücksichtigt worden (zu Einzelheiten vgl. BT-Drs. 18/9984 S. 51, 61; so schon BT-Drs. 17/3404 S. 67, 74). Dieser wird nunmehr unter Annahme eines im Vergleich zu den Erwachsenen geringeren Tabak- und Alkoholkonsums auch bei den 14 bis unter 18 Jahre alten Kindern berücksichtigt, nachdem das BVerfG den Gesetzgeber in seinem Beschluss zur Regelbedarfsermittlung v. 23.7.2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rz. 129) dazu aufgefordert hatte, dies zu überprüfen. Im Übrigen ist im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen an die Möglichkeit der Kostenübernahme für die Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung nach § 34 Abs. 6 zu denken (vgl. die dortige Komm.). Zur Frage der abweichenden Bedarfsbemessung nach unten bei Verpflegung in einer Werkstatt für behinderte Menschen vgl. Abs. 4 Satz 1 (Rz. 66).
2.1.3.2 Kleidung
Rz. 17
Seit dem 1.1.2005 ist auch die Versorgung mit Bekleidung einschließlich Schuhen in das Pauschalierungssystem einbezogen (anders noch § 21 Abs. 1a Nr. 1 BSHG), was zum Wegfall zum Teil schwieriger Abgrenzungsfragen geführt hat. Die Leistungsberechtigten haben einen Anspruch darauf, sich angemessen mit Kleidung auszustatten, und zwar so, ...