Rz. 10
Hierfür existieren keine bundeseinheitlichen Richtlinien. Maßgeblich sind die Verhältnisse des örtlichen Wohnungs- und Grundstücksmarktes, sodass der Hilfesuchende keinesfalls auf günstigere Wohnkosten in einer anderen Gemeinde verwiesen werden darf. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit ist gerichtlich voll überprüfbar; der Kostenträger hat keinen Beurteilungsspielraum. Hinsichtlich der konkreten Wohnungsgröße erscheint es sinnvoll, sich am sozialen Wohnungsbau zu orientieren (BVerwG, Urteile v. 1.10.1992, 5 C 28/89, v. 21.1.1993, 5 C 3/91, und v. 17.11.1994, 5 C 11/93; so auch OVG Münster, Urteil v. 14.9.2001, 12 A 4923/99; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 8.2.2001, 7 S 354/98; Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, § 29 Rz. 5; Kreiner, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 42 Rz. 14).
Dabei können die Verwaltungsvorschriften der Länder zu § 5 Abs. 2 des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG) zugrunde gelegt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse v. 1.8.2005, L 19 B 21/05 AS ER, und v. 24.8.2005, L 19 B 28/05 AS ER).
Als grober Anhaltspunkt sind 50 m² für Alleinstehende und 15 m² für jede weitere Person eines gemeinsamen Haushalts angemessen. Dabei sind jedoch besondere persönliche und berufliche Bedürfnisse des Berechtigten und seiner Angehörigen, regionale Besonderheiten sowie der in absehbarer Zeit zu erwartende zusätzliche Raumbedarf zu berücksichtigen. Die Höhe des Mietzinses ist angemessen, wenn er sich im unteren Bereich des örtlichen Mietniveaus bewegt (BVerwG, Urteil v. 17.11.1994, 5 C 11/93; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 42 Rz. 3; Kreiner, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 42 Rz. 12).
Für die Verhältnisse am örtlichen Wohnungsmarkt und das Angemessenheitsniveau sind der örtliche Mietspiegel (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 1.8.2005, L 19 B 21/05 AS ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 28.9.2006, L 3 ER 143/06 SO), die Wohnungsmarktanzeigen (LSG Hamburg, Beschluss v. 25.8.2005, L 5 B 201/05) und hilfsweise auch die Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (ablehnend: BVerwG, Urteil v. 7.5.1987, 5 C 36/85) zu berücksichtigen.
Der konkrete Wohnstandard ist angemessen, wenn die Wohnung nach Lage, Umfeld, Verkehrsanbindung, Bausubstanz sowie Ausstattung (Sanitär, Heizung) "einfach und bescheiden" ist (BVerwG, Urteil v. 30.5.1996, 5 C 14/95; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 25.1.2006, L 8 AS 4296/05 ER-B).
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass familien-, alters- und behindertengerechtes Wohnen (Barrierefreiheit, Aufzüge) i. d. R. zu höheren Wohnkosten führt als sie für Wohnungen einfachen Standards durchschnittlich anfallen (Kreiner, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 42 Rz. 10). Im Rahmen betreuter Wohnformen, bei denen es sich nicht um stationäre oder teilstationäre Einrichtungen i. S. d. § 13 handelt, können auch Kosten berücksichtigt werden, die für den Leistungsberechtigten unausweichlich (BVerwG, Urteil v. 28.11.2001, 5 C 9/01, 5 PKH 39/01) mit der Anmietung der Unterkunft verbunden sind, z. B. Betreuungsentgelte (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 8.9.2005, L 7 SO 2708/05 ER-B; Kreiner, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 42 Rz. 13).
Entscheidend ist die Kostenangemessenheit im Ergebnis ("Produkttheorie"). Maßgeblich sind daher nicht die Einzelfaktoren, sondern die Gesamtschau aus Wohnungsgröße, Kaltmiete, Wohnstandard und Heizkosten: So kann eine alte, einfach ausgestattete Wohnung bei niedrigem Preis angemessen sein, wenn sie an sich zu groß ist und die Heizkosten im Rahmen bleiben (BSG, Urteile v. 7.11.2006, B 7b AS 18/06 R und B 7b AS 10/06 R; BVerwG, Urteil v. 28.4.2005, 5 C 15/04; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse v. 1.8.2005, L 19 B 21/05 AS ER, und v. 24.8.2005, L 19 B 28/05 AS ER; SG Aurich, Urteil v. 12.10.2005, S 15 AS 159/05 mit Anm. Spindler, info also 2006 S. 27).
Rz. 11
Ist ein Umzug alters- oder behinderungsbedingt unzumutbar, können auch höhere Aufwendungen für eine große Wohnung "angemessen" sein (a. A. Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 42 Rz. 13: längstens 6 Monate, § 29 Abs. 1 Satz 3). Ein Eigenheim ist angemessen, wenn es nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften (2. Wohnungsbaugesetz, Wohnraumförderungsgesetz) gefördert werden könnte.
Rz. 12
Der Leistungsträger muss darlegen, dass die bisherige Wohnung unangemessen ist und kostengünstigere Unterkünfte verfügbar und zugänglich sind (BVerwG, Urteil v. 28.4.2005, 5 C 15/04; LSG Nordrhein-Westfalen, L 9 B 24/06 AS ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 28.9.2006, L 3 ER 143/06 SO).
Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den Umfang, der nach den besonderen Umständen des Einzelfalls angemessen ist, sind die Kosten zunächst als Bedarf der Personen anzuerkennen, deren Einkommen und Vermögen nach § 19 Abs. 1 zu berücksichtigen ist (§ 29 Abs. 1 Satz 2). Dies gilt allerdings nur so lange, als es diesen Personen unmöglich oder unzumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, i. d. R. jedoch längstens für 6 Monate (§ 29 Abs. 1 Satz 3). Nach A...