Rz. 12
Nach Satz 2 der Regelung sind Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a übersteigen, zu berücksichtigen.
Der Gesetzgeber geht (unwiderlegbar) davon aus, dass diese Personen in einer Einsatzgemeinschaft leben und "aus einem Topf" wirtschaften. Die Aufzählung dieser Personen ist abschließend. Für jedes Mitglied der Einstandsgemeinschaft muss sowohl der Bedarf als auch das einzusetzende Einkommen und Vermögen getrennt ermittelt werden (sog. Individualisierungsgrundsatz, vgl. Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, § 43 Rz. 6; Kreiner, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 43 Rz. 4). Wird das Einkommen oder Vermögen des Partners berücksichtigt, darf er hierdurch keinesfalls selbst sozialhilfebedürftig werden (Kreiner, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 43 Rz. 3). Andernfalls läge ein Verstoß gegen die Menschenwürde vor (Art. 1 Abs. 1 GG; vgl. BVerwG, Urteil v. 26.11.1998, 5 C 37/97, Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr. 29 = NJW 1999 S. 1881 = BVerwGE 108 S. 36 = ZFSH/SGB 1999 S. 279, 280 f. = NDV-RD 1999 S. 52 = FamRZ 1999 S. 780 = FEVS 49 S. 307 = DVBl 1999 S. 1110 = info also 1999 S. 91; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 43 Rz. 5).
Indem der Sozialhilfeträger das Einkommen und Vermögen dritter Personen berücksichtigt, setzt er eine öffentlich-rechtliche Bedarfsdeckungs- und Leistungserwartung um und familienrechtliche Unterhaltspflichten faktisch durch. Dennoch knüpft Abs. 1 nicht an die bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsregelungen an, so dass weder Existenz noch Umfang des familienrechtlichen Unterhaltsanspruchs zu prüfen sind (so zutreffend Schoch, LPK-GSiG, § 2 Rz. 37; vgl. auch BVerwG, Urteil v. 18.12.1975, V C 23/75, Buchholz 436.0 § 28 BSHG Nr. 3 = BVerwGE 50 S. 73 = ZfSH 1977 S. 145 = FEVS 24 S. 133; OVG Greifswald, Beschluss v. 23.11.1999, 1 M 81/99, NDV-RD 2000 S. 70 = ZfSH/SGB 2000 S. 401 = DVBl 2000 S. 1217 = FEVS 51 S. 465). Mindert oder versagt der Sozialhilfeträger Leistungen, weil Einkommen und Vermögen eines Partners anzurechnen sind, so ist hierdurch nur der Hilfesuchende selbst und nicht sein Partner beschwert.
Rz. 13
Ehegatten sind Personen, die eine Ehe wirksam geschlossen haben. Ob sie getrennt leben, richtet sich nach den Grundsätzen, die der Gesetzgeber im Familienrecht aufgestellt hat. Nach § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB leben die Ehegatten getrennt, wenn
- sie ihre häusliche (Lebens- und Wirtschafts-) Gemeinschaft vollständig aufgelöst haben (vgl. BVerwG, Urteil v. 26.1.1995, 5 C 8/93, Buchholz 436.0 § 29 BSHG Nr. 11 = BVerwGE 97 S. 344 = DVBl 1995 S. 696, 697 = FEVS 45 S. 447 = NVwZ 1995 S. 1106, 1107 = NDV-RD 1996 S. 12, 13), d. h., nicht (mehr) in einer gemeinsamen Wohnung zusammenleben, und
- zumindest ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft nicht (wieder)herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt.
Rz. 14
Neben der (vollständigen) Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (objektiver Tatbestand) muss folglich der Entschluss eines Ehegatten hinzutreten, nicht in häuslicher Gemeinschaft mit dem anderen leben zu wollen. Die Trennung muss Ausdruck eines gestörten Ehegattenverhältnisses sein, d. h. die Zerrüttung muss nach außen hin (objektiv) erkennbar sein (vgl. BVerwG, Beschluss v. 27.1.1995, 6 P 22/92, Buchholz 250 § 72 BPersVG Nr. 1 = BVerwGE 97 S. 354 = NVwZ-RR 1995 S. 405). Freiwillige Trennungen führen nur dann zu einem Getrenntleben, wenn sie darauf beruhen, dass ein Ehegatte die Lebensgemeinschaft mit dem anderen ablehnt. Lebt der eine Ehegatte dauerhaft in einer stationären Einrichtung und der andere außerhalb, so hängt es vom Willen der Eheleute ab, ob ihre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft beendet ist (Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 43 Rz. 5). Beruflich bedingte Trennungen (z. B. längerfristige Auslandsaufenthalte) reichen allein keinesfalls aus (so auch Müller, Der Rückgriff gegen Angehörige von Sozialleistungsempfängern, 4. Aufl. 2004, Fn. 677).
Rz. 15
Nach § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB kann das Getrenntleben auch innerhalb der ehelichen Wohnung verwirklicht werden. Der Nachweis des Getrenntlebens lässt sich in diesen Fällen allerdings schwierig führen, weil gemeinsame Berührungspunkte (die beiderseitige Benutzung von Küche, Bad, Flur usw.) meist unvermeidbar sind. Ein Getrenntleben liegt deshalb nur vor, wenn die Eheleute keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen und sich ein gelegentliches Zusammentreffen der Ehegatten als ein bloß räumliches Nebeneinander ohne persönliche Beziehung darstellt (BGH, Urteil v. 11.4.1979, IV ZR 77/78, FamRZ 1979 S. 469, 470 = MDR 1979 S. 738, 739 = NJW 1979 S. 1360, 1361 = LM Nr. 3 zu § 1567 BGB).
Rz. 16
Titulierte und durchsetzbare Unterhaltsansprüche gegen den getrennt lebenden (§ 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder geschiedenen Ehegatten muss sich der Antragsteller als Vermögen leistungsmindernd anrechnen lassen; denn es handelt sich dabei um bereite Mittel, mit denen er seinen...