Rz. 5
Der zuständige Rentenversicherungsträger ist verpflichtet zu prüfen, ob der Hilfesuchende dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Dabei darf er – außerhalb eines Rentenverfahrens – nicht von sich aus tätig werden, sondern erst auf Ersuchen des zuständigen Sozialhilfeträgers (Schoch, in: LPK-SGB XII, § 45 Rz. 9; Kreiner, in: Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 45 Rz. 6). Dieser darf den Rentenversicherungsträger aber nur ersuchen, die medizinischen Voraussetzungen zu prüfen, wenn er zuvor festgestellt hat, dass der Antragsteller seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen vollständig decken kann, und wahrscheinlich ist, dass er dauerhaft voll erwerbsgemindert ist (Kreiner, a. a. O.). Die Erwerbsminderung ist "wahrscheinlich", wenn bei summarischer (Vor-)Prüfung mehr dafür als dagegen spricht; die bloße Möglichkeit genügt nicht (Schoch, in: LPK-SGB XII, § 45 Rz. 12; Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 45 Rz. 8; Kreiner, a. a. O.). Bei der Prognoseentscheidung sind die Angaben und Nachweise des Antragstellers zu berücksichtigen, insbesondere ärztliche Atteste. Ggf. sind von Amts wegen weitere (Vor-) Ermittlungen durchzuführen (Kreiner, a. a. O.), wobei der Grundsicherungsträger Befundberichte der behandelnden Ärzte einholen und durch den amtsärztlichen Dienst auswerten lassen kann Schoch, a. a. O.; Falterbaum, a. a. O.).
Ist die dauerhafte volle Erwerbsminderung (überwiegend) wahrscheinlich, muss der Sozialhilfeträger die zuständige Rentenversicherungsanstalt einschalten. Der Sozialhilfeträger darf die Frage, ob volle Erwerbsminderung auf Dauer vorliegt, keinesfalls eigenständig – weder positiv noch negativ – beantworten (VG Lüneburg, Beschluss v. 2.7.2003, 6 B 120/03, SAR 2004 S. 5, 6 f.; Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 45 Rz. 9; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 45 Rz. 4; Schoch, ZfF 2006 S. 49, 55; Tänzer, ZfF 2005 S. 58, 61) und ist nicht befugt, eine amtsärztliche Untersuchung anzuordnen (VG Göttingen, Beschluss v. 20.5.2003, 2 B 194/03; Kreiner, in: Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 45 Rz. 4). Die alleinige Untersuchungs- und Feststellungsbefugnis liegt beim Rentenversicherungsträger (vgl. § 109a Abs. 2 Satz 1 SGB VI).
Rz. 6
Ein Ersuchen unterbleibt, wenn ein Rentenversicherungsträger die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 bereits im Rahmen eines Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsminderung festgestellt hat (Satz 3 Nr. 1). Es muss sich um die Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung handeln, und es muss unwahrscheinlich sein, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Das ist deshalb von Bedeutung, weil Erwerbsminderungsrenten gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI grundsätzlich nur auf Zeit bewilligt werden. Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, nur dann unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von 9 Jahren auszugehen. Die Feststellung der Voraussetzungen für eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung reicht also nicht aus. Die Ablehnung einer befristeten Rente reicht nur dann aus, wenn aus der Begründung hervorgeht, dass der Rentenversicherungsträger eine dauerhafte volle Erwerbsminderung verneint hat (Blüggel, in: juris-PK SGB XII, § 45 Rz. 46). Daran wird es vielfach fehlen, da diese Prüfung erst zu einem späteren Zeitpunkt erforderlich ist.
Rz. 6a
Eines Ersuchens bedarf es ferner nicht, wenn der Rentenversicherungsträger bereits eine gutachterliche Stellungnahme nach § 109a Abs. 2 und 3 SGB VI abgegeben hat (Satz 3 Nr. 2). Auch hier muss die Stellungnahme die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, aufgrund derer es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, beinhalten (§ 41 Abs. 3).
Rz. 6b
Ein Ersuchen unterbleibt ferner, wenn Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich durchlaufen haben oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind (Satz 3 Nr. 3). Diese Regelung ist durch Art. 3a des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 22.12.2016 (BGBl. I S. 3159) mit Wirkung zum 1.7.2017 geändert worden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9984) ist insoweit eine Klarstellung erfolgt. Nach dem geltenden Wortlaut von Satz 3 ergeben sich, so die Gesetzesbegründung, Auslegungsfragen dahingehend, ob bei Menschen mit Behinderung im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder einer vergleichbaren Einrichtung ein Ersuchen gestellt werden kann. Da die Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden kann, erfolgt für diese Personen kein Ersuchen an einen Rentenversicherungsträger. Deshalb regelt Satz 3 Nr. 3 im Unterschied zur alten Fassung von Satz 3, d...