Rz. 8
Abs. 2 begrenzt die Heranziehung auf die Kosten des Lebensunterhalts, wenn die Maßnahmen durchgeführt werden, die in Satz 1 Nr. 1 bis 8 aufgezählt sind. Dadurch wird das Nachrangprinzip (§ 2) noch weiter eingeschränkt. Absatz 2 gilt unabhängig von Abs. 1 (BVerwG, Urteil v. 22.5.1975, V C 19.74, Buchholz 436.0, § 40 BSHG Rz. 6 = NDV 1976 S. 153, 155). Abs. 2 setzt nicht voraus, dass gleichzeitig die in Abs. 1 beschriebenen Merkmale für die Hilfe für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen vorliegen (vgl. BSG, Urteil v. 22.3.2012, B 8 SO 15/11 R, Rz. 28). Eingliederungshilfen zur Förderung selbstbestimmten Wohnens außerhalb einer Einrichtung, z. B. in betreuten Wohngruppen, sowie Hilfen zur Gestaltung der Freizeit und der sozialen Beziehungen sind in den Katalog der privilegierten Maßnahmen nicht aufgenommen worden (krit. zur systematischen Einordnung der teilweisen Privilegierung im SGB XII: Lippert, in: Mergler/Zink, SGB XII, Vorbem. vor § 92).
2.2.1 Kosten des Lebensunterhalts
Rz. 9
Der Lebensunterhalt umfasst nach § 27a Abs. 1 insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens zählen dabei in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Bei Kindern und Jugendlichen umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch den besonderen, insbesondere den durch ihre Entwicklung und ihr Heranwachsen bedingten Bedarf. Nicht zu den Kosten des Lebensunterhalts gehören die Kosten der Betreuung und Pflege, die Kosten der ärztlich oder ärztlich verordneten Maßnahmen sowie die Kosten der pädagogischen und sozialen Betreuung inklusive arbeitstherapeutischer Maßnahmen (Wolf, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 92 Rz. 9).
2.2.2 Begünstigte Maßnahmen (Abs. 2 Satz 1)
Rz. 10
Abs. 2 Satz 1 zählt die begünstigten Maßnahmen erschöpfend auf. Werden (gleichzeitig) andere, nichtbegünstigte Maßnahmen durchgeführt, greift die Privilegierung des Abs. 2 Satz 1 nur für die dort genannten Maßnahmen. Sämtlichen in Abs. 2 genannten Privilegierungsfällen ist gemeinsam, dass sie einen spezifischen Förderbedarf und eine entsprechende Förderung voraussetzen, zu dem die vermögens- und einkommensprivilegierte Hilfe einen (objektiv) finalen Bezug dergestalt aufweisen muss, dass der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistung nicht allein oder vorrangig bei der allgemeinen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sondern zumindest gleichwertig bei den von ihnen verfolgten beruflichen, schulischen, ausbildungsbezogenen und medizinischen Zielen liegt (BSG, Urteil v. 20.9.2012, B 8 SO 15/11, Rz. 18). Auch im Rahmen des Abs. 2 gelten die Regelungen der §§ 85 ff., d. h. es kann nur ein zumutbarer Kostenbeitrag gefordert werden. § 92 Abs 2 schafft keine außerhalb der allgemeinen Einkommensgrenzen stehende Sonderregelung (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.9.2009, L 8 SO 154/07, Rz. 23). Für die Anwendung der Privilegierungen kommt es grundsätzlich darauf an, welche Leistungen von dem Sozialhilfeträger bestandskräftig bewilligt worden sind (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 15.4.2010, L 23 SO 277/08, Rz. 49). Sind z. B. in einer Tageseinrichtung von der bestandskräftigen Bewilligung lediglich Leistung zur Teilnahme an der Gemeinschaft erfasst und ausdrücklich nicht Leistungen zur Eingliederung im Arbeitsleben, ist dies für die Beurteilung der Frage, ob eine Privilegierung nach Abs. 2 vorliegt, bindend, und zwar unbeschadet der Frage, welche Leistungen tatsächlich erbracht werden; es muss dann zunächst die zugrunde liegende Bewilligung der privilegierten Leistung herbeigeführt werden.
2.2.2.1 Heilpädagogische Maßnahmen (Abs. 2 Nr. 1)
Rz. 11
Es handelt sich um Maßnahmen im frühen Kindesalter vor Beginn der allgemeinen Schulpflicht, die auch erbracht werden, wenn abzusehen ist, dass ein späterer Schulbesuch nicht möglich sein wird . Heilpädagogische Leistungen sollen drohende Behinderungen abwenden, den fortschreitenden Verlauf einer Behinderung so früh wie möglich stoppen bzw. verlangsamen und die Behinderungsfolgen beseitigen oder mildern (vgl. hierzu § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Dem Kind soll eine möglichst eigenständige Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden. Der Begriff der heilpädagogischen Maßnahme ist weit auszulegen (Lippert, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 92 Rz. 19).
2.2.2.2 Hilfen zur angemessenen Schulbildung (Abs. 2 Nr. 2)
Rz. 12
Hierzu gehören alle schulbegleitenden Maßnahmen (Nachhilfe- oder Sonderunterricht, Fahrtkosten, Internatsunterbringung), insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1). Zur Vorbereitung zählt z. B. der Besuch eines Sonderschulkindergartens. Während des Schulbesuchs können vor allem Integrationshelfer zum Einsatz kommen, die körperlich behinderten Schülern Hilfestellung gewähren.
Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es insbesondere, die Eltern behinderter Kinder mit den Eltern nichtbehinderter Kinder wirtschaftlich gleichzustel...