Vorbemerkungen zum Ersten Kapitel

 

Rz. 1

Allgemeine Vorschriften (§§ 1 bis 7)

Am 1.6.1962 trat das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Kraft und wurde seither durch fast 70 Gesetze immer wieder geändert.

Durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) wurde schließlich als vorläufig letzter Schritt das Sozialhilferecht als Zwölftes Buch in das Sozialgesetzbuch eingeordnet. Dabei sind inhaltlicher Aufbau, Systematik und Begrifflichkeit weiterentwickelt und an die bereits existierenden Bücher des Sozialgesetzbuches angepasst worden.

 

Rz. 2

Auslegung der Regelungen

Die weitaus meisten Vorschriften des bisherigen BSHG wurden bei der Einordnung in das SGB wortgleich übernommen. Lediglich durch die Streichung der Vorschriften über die bisherige "Hilfe zur Arbeit", die jetzt im Bereich des SGB II – mit einer allerdings völlig veränderten Systematik – zu finden ist, hat es eine vollständig neue Reihenfolge der Paragraphenbezeichnungen und -reihenfolge gegeben.

Aus der Tatsache, dass viele Regelungen inhaltlich unverändert geblieben sind, folgt, dass sich die Auslegung und Anwendung der Vorschriften des neuen SGB XII an den Auslegungen orientieren wird, die dazu bisher schon im BSHG vertreten worden sind. Die hierzu vorliegenden umfänglichen Kommentierungen waren zu Beginn der Geltung des SGB XII eine willkommene Hilfe bei der Auslegung der neuen SGB XII-Vorschriften.

Seit Inkrafttreten des SGB XII hat sich aber die Anzahl der Kommentare und erläuternden Angebote zur Auslegung der Vorschriften – gerade auch im Internet – deutlich erhöht. Es hat sich eine eigene Auslegung zum SGB XII entwickelt, die beständig fortgeschrieben wird. Insoweit nimmt die Bedeutung der Auslegung von Vorschriften mit Rückblick auf das BSHG stetig weiter ab. Auch die beständige „Weiterentwicklung“ des Rechts in anderen Bereichen – wie etwa dem SGB II – spielt dabei eine Rolle.

 

Rz. 3

Geänderter Rechtsweg

Durch Art. 38 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch wurde neu geregelt, dass ab 1.1.2005 nunmehr die Sozialgerichte für die Streitigkeiten über die Anwendung und Auslegung des Sozialhilferechts zuständig sind – und damit nicht mehr die Verwaltungsgerichte, die hier auf eine mehr als 40-jährige Tradition der Rechtsanwendung in diesem Bereich zurückblicken können.

 

Rz. 4

Die geänderte Rechtswegzuweisung hat nicht zu der von manchen Fachleuten befürchteten Veränderung in der Auslegung der sozialhilferechtlichen Vorschriften geführt. Im Gegenteil: Es kann sogar festgestellt werden, dass die Rechtsanwendung und -auslegung der Sozialgerichte (bis hinauf zum Bundessozialgericht) die "Tradition" der Verwaltungsrechtsprechung fortsetzt – ja in Teilen sogar deutlich weiterentwickelt hat, etwa wenn es um die Anwendung des § 62 SGB XII (Bindungswirkung der Sozialhilfeträger an die Entscheidungen der Pflegekassen) geht.

 

Rz. 5

Mit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG-SGB IX), welches in vollem Umfang mit Beginn des Jahres 2020 in Kraft treten wird, sind weitere, sicherlich auch grundlegende, Veränderungen zu erwarten. Denn die Eingliederungshilfe wird aus dem SGB-XII herausgelöst und man darf sicher sein, dass sie damit auch über kurz oder lang ein recht selbständiges „Eigenleben“ entwickeln wird. Schließlich wird dort jetzt das in der Sozialhilfe unbekannte Antragserfordernis eingeführt und die Menschen mit Behinderung werden weit mehr als bisher damit befasst sein, ihre Rechte eigenverantwortlich durchsetzen zu müssen.

Gleichzeitig wird sich das „Angebot“ der Leistungserbringer deutlich verändern – müssen. Alle diese Entwicklungen lassen erwarten, dass die grundlegenden Regelungen des SGB XII eine vielleicht noch größere oder auch veränderte Bedeutung erlangen werden.

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