Rz. 57
Entsprechend den allgemeinen Regeln sind die Bestimmungen der Eingliederungshilfe nachrangig gegenüber schulrechtlichen Vorschriften (Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 53 Rz. 71). Nach wie vor erfolgt die Schulausbildung behinderter Kinder sowohl in Regelschulen als auch in Sonderschulen, die im Allgemeinen nach Behinderungsarten unterschieden werden. Im Einzelfall entscheiden nach Landesrecht die Schulämter, welche Schulart das behinderte Kind besuchen muss, an diese Entscheidung sind die Sozialhilfeträger gebunden (LSG Sachsen, Beschluss v. 3.6.2010, L 7 SO 19/09 ER, ZfSH/SGB 2010 S. 620).
Rz. 58
Wird Sonderschulpflicht festgestellt, so ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass der Betreuungsaufwand behinderter Schüler durch die entsprechende Schule gedeckt wird und daher kein von der Sozialhilfe zu deckender Bedarf an persönlicher Hilfeleistung besteht (OVG Bremen, Urteil v. 10.12.1998, 2 BB 421/98, FEVS 51 S. 182).
Im umgekehrten Falle ist der Träger der Sozialhilfe auch an die Entscheidung des Schulamtes gebunden, die das behinderte Kind einer Regelschule zuweist. Sofern der Schulträger nicht den gesamten erforderlichen Betreuungsaufwand durch eigenes Personal abdecken kann, muss dann der Sozialhilfeträger nachrangig eintreten. Denn es ist mangels Vorliegens entgegengesetzter Vorschriften nicht Aufgabe der Schule, eine besondere individuelle Einzelbetreuung durch besondere Kräfte für einzelne behinderte Schüler sicherzustellen (Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 53 Rz. 71; BVerwG, Urteil v. 28.4.2005, 5 C 20/04, NJW 2005 S. 3160; VGH Kassel, Beschluss v. 19.11.2004, 7 TG 1413/04, FEVS 56 S. 152; Bay. VGH, Beschluss v. 6.10.2004, 12 CE 04.1789, ZFSH/SGB 2005 S. 282 - anders noch: Bay. VGH, Urteil v. 14.5.2001, 12 B 98.2022, FEVS 53 S. 361).
Rz. 59
Liegt keine schulamtliche Entscheidung im Hinblick auf die Zuweisung zu einer bestimmten Schulart vor, so kann der Sozialhilfeträger auf den Besuch einer Sonderschule verweisen, an der die Übernahme der Kosten für die persönliche Hilfe durch einen Zivildienstleistenden aus Sozialhilfemitteln nicht erforderlich ist (OVG Münster, NDV-RD 2000 S. 109; FEVS 47 S. 153; a.A. LSG Sachsen, Beschluss v. 3.6.2010, L 7 SO 19/09 ER, ZfSH/SGB 2010 S. 620).
Rz. 60
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 4 Abs. 3 SGB IX, wonach Leistungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder so geplant und gestaltet werden, dass sie nach Möglichkeit nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt, sondern gemeinsam mit nicht behinderten Kindern betreut werden können. Zwar vermag diese programmatische Vorschrift keine unmittelbare Rechtswirkung zu erzeugen, zusammen mit Art. 24 der UN-BRK, dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und den Behindertengleichstellungsgesetzen des Bundes und der Länder muss aber davon ausgegangen werden, dass auch die Eingliederungshilfevorschriften zunehmend im Lichte dieser neueren Entwicklung ausgelegt werden. Freilich gilt auch, dass die Länder aufgerufen sind, die sachlichen und personellen Voraussetzungen zu schaffen, die für eine zunehmende integrative Erziehung auch in der Schule erforderlich sind. Dies gebietet der Subsidiaritätsgrundsatz (ebenso: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 54 Rz. 40, unter Hinweis auf Klerks, RsDE 45 S. 1).