Rz. 15
Der Schädiger ist zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, die infolge des Versicherungsfalls entstanden sind. Für den erforderlichen Kausalzusammenhang gilt die Adäquanztheorie, weil es sich um zivilrechtliche Ansprüche handelt (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 110 Rz. 6; Grüner, in: LPK-SGB VII, § 110 Rz. 12; Ricke, in: BeckOGK, SGB VII, § 110 Rz. 10). Bei einem Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften wird die Kausalität widerlegbar vermutet (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 110 Rz. 5.3; Grüner, in: LPK-SGB VII, § 110 Rz. 13 mit Hinweis auf BGH, Urteil v. 8.5.1984, VI ZR 296/82). Aufwendungen sind sämtliche Geld- und Sachleistungen, die der Unfallversicherungsträger nach dem Gesetz oder nach seiner Satzung erbracht hat. Dazu gehören auch Ermessensleistungen und Kosten der Begutachtung und Gerichtskosten; nicht jedoch die in der eigenen Organisation angefallenen Kosten der Verwaltung (Hillmann, in: JurisPK-SGB VII, § 110 Rz. 20).
Rz. 16
Der Ersatzanspruch der Sozialversicherungsträger ist auf die Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des Geschädigten beschränkt. Darin liegt die wesentliche Änderung gegenüber der Vorgängervorschrift (§ 640 RVO). Ein Mitverschulden des Geschädigten und die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln (Mithaftung, Schadensminderungspflicht, Vorteilsausgleich) können nunmehr unzweifelhaft angewendet werden (Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 110 Rz. 15; zur Kritik an der Vorgängervorschrift: Rolfs, NJW 1996 S. 3181). Der Schädiger soll nicht mehr schulden, als er im Wege des Schadensersatzes zu zahlen hätte. Nur in diesem Umfang kann der Sozialversicherungsträger Rückgriff nehmen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 110 Rz. 7.3). Bei der Berechnung des zivilrechtlichen Anspruchs des Geschädigten ist auch sein fiktiver Schmerzensgeldanspruch gegen den Schädiger zu berücksichtigen. Insoweit dürfen auch mit denen der Sozialversicherung inkongruente Leistungen berücksichtigt werden (BGH, Urteil v. 27.6.2006, VI ZR 143/05; Krasney/Becker/Heinz/Bieresborn, SGB VII, § 110 Rz. 14; Hauck/Kranig, SGB VII, § 110 Rz. 17).
Rz. 16a
Anspruchsmindernd kann ein Mitverschulden des Geschädigten zu berücksichtigen sein (Krasney/Becker/Heinz/Bieresborn, SGB VII, § 110 Rz. 16; Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 110 Rz. 15; Hauck/Kranig, SGB VII, § 110 Rz. 18). Da der Anspruch nach § 110 sich gegen den Unternehmer richtet, kann § 254 BGB nicht unmittelbar angewendet werden. Durch die Anspruchsbegrenzung auf das zivilrechtlich Erreichbare wird jedoch der Rückgriffsanspruch von vornherein um einen möglichen Mitverschuldensanteil des geschädigten Arbeitnehmers gemindert. Bei der Bewertung ist die Asymmetrie der Pflichtenverteilung im Arbeitsschutz zu berücksichtigen (Kohte, JurisPR-ArbR 4/2013 Anm. 2 unter C). Es ist vornehmlich Aufgabe des Unternehmers, für den Arbeitsschutz zu sorgen. Der Arbeitnehmer unterstützt ihn lediglich dabei (§ 21 Abs. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 2). Im Regelfall wird der Schaden deshalb vorwiegend vom Unternehmer und nicht vom Versicherten verursacht. Ein hälftiges Mitverschulden des Arbeitnehmers ist deshalb nahezu ausgeschlossen. Im Regelfall kann ein Mitverschuldensanteil von 30 % nicht überschritten werden (OLG Frankfurt, Urteil v. 6.2.2013, 2 U 209/12). Handelt der Versicherte auf Weisung des Unternehmers, trifft ihn auch dann kein Mitverschulden, wenn er die Gefährlichkeit seines Handelns kennt (OLG Koblenz, Urteil v. 22.5.2014, 2 U 574/12; Staudinger/Oetker, BGB, § 618 Rz. 299; Henssler, in: MünchKomm BGB, 6. Aufl., § 618 Rz. 101).
Rz. 16b
Ob auch ein Mitverschulden des Unfallversicherungsträgers zu berücksichtigen ist, hat der BGH bislang offengelassen (BGH, Urteil v. 15.1.1974, VI ZR 137/72 und VI ZR 90/72). In Betracht kommt dies bei systematischen Defiziten der Aufsicht und Kontrolle, die über den Einzelfall hinausgehen. Jedenfalls dann, wenn dem Unfallversicherungsträger eine den Unfallverhütungsvorschriften zuwiderlaufende Übung bekannt ist und er nichts unternimmt, scheitert die Geltendmachung des Regresses am Einwand aus Treu und Glauben (Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 110 Rz. 18; Ricke, in: BeckOGK, SGB VII, § 110 Rz. 14; Krasney/Becker/Heinz/Bieresborn, SGB VII, § 110 Rz. 17; zurückhaltender: Staudinger/Oetker, BGB, 2010, § 618 Rz. 374).
Rz. 17
Der Sozialversicherungsträger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des zivilrechtlichen Anspruchs des Geschädigten; denn der Rückgriffsanspruch entsteht von vornherein nur in Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs (Krasney/Becker/Heinz/Bieresborn, SGB VII, § 110 Rz. 15; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 110 Rz. 7.1; Hauck/Kranig, SGB VII, § 110 Rz. 19; jetzt auch Ricke, in: BeckOGK, SGB VII; § 110 Rz. 18), sodass die Tatsachen, die zur Höhe des zivilrechtlichen Anspruchs führen, als für den klagenden Sozialversicherungsträger anspruchsbegründend und somit darlegungs- und beweispflichtig sind. Die Gegenmeinung hatte unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte (BT-Drs. 13/2204 S. 101) angeführt, dass nur auf d...