0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit dem Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) am 1.1.1997 in Kraft getreten (vgl. zu den Gesetzesmaterialien: BR-Drs. 263/95 S. 70, 71, 262, 263 = BT-Drs. 13/2204 S. 26, 27, 92).
Abs. 1 Satz 4 wurde durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze v. 24.7.2003 (BGBl. I S. 1526) mit Wirkung zum 1.8.2003 geändert.
Durch Art. 4 Nr. 8 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (5. SGB IV-ÄndG) v. 15.4.2015 (BGBl. I S. 583, 1008) wurde § 70 Abs. 1 Satz 2 mit Wirkung zum 1.7.2015 abermals geändert und die Angabe "oder § 68 Abs. 2" gestrichen. Dies war eine Folgeänderung zu den parallelen Regelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung in § 97 Abs. 2 SGB VI. Auch in der gesetzlichen Unfallversicherung wurde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auf die Einkommensanrechnung bei Waisenrenten verzichtet (vgl. BT-Drs. 18/3699 S. 41 = BR-Drs. 541/14 S. 45).
Gültig ist die Vorschrift i. d. F. v. 15.4.2015 ab 1.7.2015.
1 Allgemeines
1.1 Übergangsvorschriften
Rz. 2
Als Übergangsregelung ist § 217 Abs. 2 Satz 1 zu beachten. Danach ist § 598 RVO in der am 31.12.1985 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn der Versicherte vor dem 1.1.1986 verstorben ist.
1.2 Inhalt der Regelung
Rz. 3
Abs. 1 begrenzt den Höchstbetrag der Hinterbliebenenrenten auf 80 % des Jahresarbeitsverdienstes.
Abs. 2 regelt die Neuberechnung der Hinterbliebenenrente für den Fall, dass neue Berechtigte hinzutreten.
Abs. 3 regelt die Erhöhung der Renten für den Fall, dass Hinterbliebene ausscheiden.
1.3 Normzweck
Rz. 4
Die Regelung soll, ausgehend von der Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrenten, gewährleisten, dass die Renten in einem angemessenen Verhältnis zum früheren Einkommen des verstorbenen Versicherten stehen.
1.4 Vorgängervorschriften
Rz. 5
§ 70 Abs. 1 entspricht § 598 Abs. 1 RVO, § 70 Abs. 2 entspricht § 598 Abs. 2 RVO und § 70 Abs. 3 entspricht § 598 Abs. 3 RVO.
1.5 Ergänzende bzw. korrespondierende Regelungen
Rz. 6
§ 70 Abs. 1 nimmt mit seinen Regelungen über die Begrenzung der Hinterbliebenenrenten Einfluss auf die Rentenhöhe anderer Hinterbliebenenrenten, so auf § 66 (Witwen- und Witwerrente an frühere Ehegatten), auf § 68 SGB VII (Höhe der Waisenrente) und auf § 69 (Rente an Verwandte der aufsteigenden Linie).
2 Rechtspraxis
2.1 Höchstbetrag (Abs. 1)
2.1.1 Begrenzung der Hinterbliebenenrenten auf einen Höchstbetrag (Satz 1)
Rz. 7
Satz 1 sieht eine Kürzung von Hinterbliebenenrenten auf den Höchstbetrag von 80 % des Jahresarbeitsverdienstes vor, wenn die Renten der Hinterbliebenen (also mehrere Renten) bezogen werden. Die Kürzung erfolgt bei den Renten in der in Satz 1 HS 2 vorgesehenen Form, und zwar bei Witwen und Witwern, früheren Ehegatten und Waisen nach dem Verhältnis ihrer Höhe.
2.1.2 Ermittlungsgrundsätze (Satz 2)
Rz. 8
Bei der Berechnung des Höchstbetrags nach Abs. 1 Satz 1 sind im ersten Schritt alle Hinterbliebenenrenten (Witwen-, Witwer- und Waisenrenten) ohne Abzug der Anrechnungsbeträge nach § 65 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Satz 2 und 3, § 68 Abs. 1 zu ermitteln. Wird der Vomhundertsatz des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) überschritten, so werden sie anteilig gekürzt.
Rz. 9
Der maßgebliche JAV des Versicherten beträgt 100.000,00 EUR. Davon sind 80 % = 80.000,00 EUR. Es sind die Witwe und 3 Waisen hinterbliebenenrentenberechtigt. Die Witwe ist mit 40 %, die Waisen mit 3-mal 20 % des JAV zu berücksichtigen. Die Kürzung führt dazu, dass für die Witwe der JAV 32.000,00 EUR statt 40.000,00 EUR und für die Waisen jeweils 16.000,00 EUR statt 20.000,00 EUR beträgt.
Rz. 10
Erst danach sind nach Abs. 1 Satz 2 im zweiten Schritt die Anrechnungen nach § 65 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Satz 2 und § 68 Abs. 1 vorzunehmen. § 65 Abs. 5 Satz 2 (Anrechnung bei wiederaufgelebten Witwen- und Witwerrenten) wird zwar in Abs. 1 Satz 2 nicht aufgeführt. Doch wäre es wohl kaum gerechtfertigt, die Anrechnung des Unterhaltsanspruchs der früheren Witwe den übrigen Hinterbliebenen zugutekommen zu lassen.
2.1.3 Rente im Sterbevierteljahr (Satz 3)
Rz. 11
Gemäß Abs. 1 Satz 3 bleibt § 65 Abs. 2 Nr. 1 unberührt. Die Witwen- oder Witwerrente wird daher bis zum Ablauf des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist (Sterbevierteljahr), nicht gekürzt. Bei den übrigen Hinterbliebenen wird die Kürzung nach Maßgabe von Abs. 1 Satz 1 vorgenommen.
2.1.4 Subsidiäre Ansprüche (Satz 4)
Rz. 12
Nach Abs. 1 Satz 4 ist der Anspruch von Verwandten der aufsteigenden Linie (Elternrente nach § 69), von Stief- und Pflegeeltern sowie Pflegekindern subsidiär. Sie haben nur insoweit Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach diesem Versicherten, soweit der Höchstbetrag nicht bereits durch die bevorrechtigten Hinterbliebenen (Witwe, Witwer, früherer Ehegatte, Waise) ausgeschöpft wird. Dies gilt auch für Ansprüche, die vor dem Inkrafttreten von Abs. 1 Satz am 1.8.2003 bereits entstanden waren (BSG, Urteil v. 28.4.2004, B 2 U 12/03 R). Die ab 1.8.2003 geltende Fassung der Vorschrift sieht vor, dass auch der Waisenrentenanspruch von Pflegekindern subsidiär ist. Vorher war dies nicht der Fall.
Rz. 13
Eine Übergangsregelung gibt es hier nicht. Damit wird eine in der sozialrechtlichen Rechtsprechung bisher nicht einheitlich beantwortete Frage des intertemporalen Sozialrechts aufgeworfen. Der für die Unfallvers...