Rz. 14
Mit Eingang der Anklage oder des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht beginnt das Strafverfahren. Sachlich und örtlich zuständig ist in erster Linie das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Tatort liegt (§ 7 Abs. 1 StPO, § 24 GVG). Innerhalb des Amtsgerichts ist im Hinblick auf die Straferwartung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe im Regelfall der Strafrichter zuständig (§ 25 GVG). Möglich ist auch eine Zuständigkeit des Jugendrichters, falls die Vernehmung von Kindern und Jugendlichen in der Hauptverhandlung in Betracht kommt. Es handelt sich dann um eine sog. Jugendschutzsache gemäß § 26 GVG.
Rz. 15
Der Strafrichter veranlasst die förmliche Zustellung der Anklage an den Angeschuldigten gemäß § 201 StPO. Danach entscheidet er, ob er die Anklage zulässt und das Hauptverfahren eröffnet. Lehnt er dies aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ab, ist das gerichtliche Verfahren damit beendet.
Rz. 16
Andernfalls eröffnet er das Hauptverfahren (§ 203 StPO) und terminiert die Hauptverhandlung. Die Hauptverhandlung ist der wichtigste Teil des Strafverfahrens. Die Förmlichkeiten der Hauptverhandlung ergeben sich aus §§ 226ff. StPO. Es gelten insbesondere die Grundsätze der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit, d. h. der Angeklagte, alle Zeugen und Sachverständige müssen – bis auf wenige Ausnahmen – persönlich geladen und vernommen werden. Die Vernehmungen dürfen im Regelfall nicht durch die Verlesung von Niederschriften früherer Vernehmungen ersetzt werden. Außerdem obliegt dem Gericht eine Aufklärungspflicht, d. h. es hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 2 StPO).
Rz. 17
Auch in der Hauptverhandlung kann das Gericht das Verfahren noch gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen Geringfügigkeit oder gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Auflagen/Weisungen mit Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft einstellen. Wird das Verfahren nicht eingestellt, muss in der Hauptverhandlung ein Urteil ergehen. Dieses lautet entweder auf Verurteilung zu einer Freiheits- oder Geldstrafe oder – falls aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ein Tatnachweis nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Gewissheit geführt werden kann – auf Freispruch. Es gilt der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten".
Rz. 18
Anstelle einer Anklageerhebung kann die Staatsanwaltschaft auch den Erlass eines Strafbefehls bei dem zuständigen Amtsgericht beantragen (§§ 407ff. StPO). Dies kommt in Verfahren in Betracht, in denen die Staatsanwaltschaft nach dem Ergebnis der Ermittlungen (z. B. bei einem geständigen Täter oder einfacher Beweislage) eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet. Der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls unterscheidet sich von der Anklage im Wesentlichen dadurch, dass in dem Strafbefehl neben dem Tatvorwurf und den Beweismitteln bereits eine konkrete Strafe enthalten ist. Der von dem Richter erlassene Strafbefehl wird rechtskräftig, wenn der Angeklagte dagegen innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung keinen Einspruch erhebt. Erhebt der Angeklagte fristgemäß Einspruch, bestimmt der Richter einen Termin zur Hauptverhandlung und führt diese – wie nach einer Anklageerhebung – durch.