Rz. 17
Das Beratungsangebot der Träger öffentlicher Jugendhilfe ist in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 auf Prävention ausgerichtet. Den Eltern soll geholfen werden, bevor Trennung oder Scheidung unvermeidbar erscheinen. Dazu dient die Beratung zum Aufbau einer partnerschaftlichen Beziehung (Nr. 1) und zur Bewältigung von Krisen und Konflikten (Nr. 2) während der bestehenden Partnerschaft (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 17 Rz. 2). Dieses Angebot ist aber nur dann sinnvoll, wenn sich die Eltern rechtzeitig an eine Beratungsstelle wenden. Dies setzt eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit der Träger öffentlicher Jugendhilfe vor Ort voraus, da weiten Bevölkerungskreisen das Recht, Partnerschaftskonflikte im Interesse des Kindes mit Hilfe der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu lösen, unbekannt sein dürfte.
Rz. 18
Die auf Prävention ausgerichtete Beratung wird ergänzt durch das Anliegen, im Fall von Trennung oder Scheidung die notwendigen Bedingungen für eine am Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Wahrnehmung der Elternverantwortung zu schaffen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3). Da Eltern auch diese Möglichkeit nur eher selten von sich aus nutzen, enthalten § 17 Abs. 3 (vgl. Rz. 97) und § 128 Satz 2 FamFG die Verpflichtung, die Eltern über das Beratungsangebot zu informieren. Zudem können Gerichtsverfahren, die die Person des Kindes betreffen, ausgesetzt werden, um den Eltern Gelegenheit zu einer Beratung nach § 17 zu geben (zu § 156 Abs. 1 Satz 2 FamFG und zum Problem der "Zwangsberatung" Rz. 92).
Rz. 19
Die wesentlichen Beratungsziele lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 17 Rz. 24 bis 26; Tillmanns, in: Münchener-Kommentar, BGB, § 17 SGB VIII Rz. 5):
- Die Eltern sollen über die rechtlichen Anforderungen an Inhalt und Ausübung elterlicher Sorge informiert werden, um den gesetzlichen Rahmen zu erkennen, in dem die Beratung stattfindet.
- Die Einleitung gerichtlicher Verfahren oder die streitige Entscheidung bereits rechtshängiger Gerichtsverfahren soll vermieden werden, da jeder gerichtlich ausgetragene Streit im Regelfall für das Kind oder den Jugendlichen mit erheblichen Belastungen einhergeht (vgl. die Notwendigkeit, das Kind oder den Jugendlichen anzuhören, §§ 159, 192 FamFG).
- Die Handlungskompetenz der Eltern ist zu stärken, damit sie befähigt werden, i. S. d. Kindeswohls eigenständige Entscheidungen zu treffen.
- Die Eltern sollen lernen, zwischen der (gescheiterten) Paarebene und der Elternebene zu unterscheiden und dabei die Interessen der Kinder in den Vordergrund zu stellen. Nur eine entsprechende Differenzierung kann eine Grundlage bieten, trotz dauerhafter partnerschaftlicher Probleme gemeinsam Verantwortung für und im Interesse des Kindes zu tragen. Die Aufarbeitung tiefergehender Kommunikationsstörungen und seelischer Verletzungen wird dazu häufig erforderlich sein.
- Kindern soll der Zugang und die Beziehung zu beiden Elternteilen erhalten werden, ohne in Loyalitätskonflikte zu geraten, um Identifikationsmöglichkeiten mit Vater und Mutter zu erhalten.
- Kindern sollen Chancen zur Entwicklung eines stabilen Selbstwertes eröffnet werden.
- Kindern sollten möglichst viele ihrer sie stützenden Beziehungen und soweit wie möglich ihre vertraute Umgebung erhalten bleiben.
- Kinder sollen Klarheit über den künftigen Lebensort erhalten und das Gefühl bekommen, diesen mitbestimmen und mitgestalten zu können und damit ernst genommen zu werden.
Rz. 20
Die Verwirklichung der Beratungsziele stellt hohe Anforderungen an die Fachlichkeit in einem Zusammenwirken von sozialpädagogischer und rechtlicher Qualifikation. Die verschiedenen Methoden, denen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Träger der öffentlichen Jugendhilfe bedienen können, stehen zur freien Auswahl. § 17 gibt keinen Ansatz vor (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 17 Rz. 29, 30). Ebenso wenig gibt das Kindschaftsrecht – nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung – vor, ob die gemeinsame Sorge der Eltern oder die Alleinsorge eines Elternteils die generell bessere Lösung darstellt. Wesentlich sind allein die konkreten Belange des betroffenen Kindes oder Jugendlichen.