Rz. 29

Die rechtlichen Rahmenbedingungen elterlicher Sorge und der darauf beruhende Beratungsbedarf sind vielschichtig. Das Spektrum reicht vom Inhalt elterlicher Sorge über deren Begründung und Neustrukturierung nach Trennung oder Scheidung bis zu – immer häufiger werdend – Fällen mit Auslandsberührung.

2.2.1 Inhalt elterlicher Sorge

 

Rz. 30

Nach § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB umfasst die elterliche Sorge die Sorge für die Person und das Vermögen des minderjährigen Kindes. Damit verbunden ist das Recht und die Pflicht, das Kind gesetzlich zu vertreten (§ 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB). Minderjährig ist jedes Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 2 BGB). Eine Differenzierung zwischen Kindern und Jugendlichen wie in § 7 Abs. 1 Nr. 2 für die Aufgabenfelder der Kinder- und Jugendhilfe vorgesehen, kennt das BGB nicht.

2.2.1.1 Personensorge

 

Rz. 31

Der Inhalt der Personensorge ist in § 1631 f. BGB näher bestimmt. Danach umfasst die Personensorge das Recht und die Pflicht, das Kind zu pflegen, gewaltfrei zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu bestimmen (§ 1631 Abs. 1 und 2 BGB, § 11 BGB), die mit Ausbildung und Berufswahl einhergehenden Entscheidungen unter Beachtung von Fähigkeiten und Neigungen des Kindes wahrzunehmen (§ 1631 a BGB; zu den notwendigen Maßnahmen des Familiengerichts zur Durchsetzung der Schulpflicht vgl. BGH, Beschluss v. 17.10.2007, XII ZB 42/07), im Notfall eine Unterbringung des Kindes zu veranlassen, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist (§ 1631 b BGB), die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es dem oder den Personensorgeberechtigten widerrechtlich vorenthält (§ 1632 Abs. 1 BGB), und den Umgang des Kindes zu bestimmen (§ 1632 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 32

Dieser Katalog ist aber nicht abschließend. Darüber hinaus erfasst die Personensorge die Bestimmung des Vornamens, des Familiennamens (§§ 1617 Abs. 1, 1617a Abs. 2, 1617b Abs. 1, 1617c BGB), die Entscheidung über die Feststellung der Vaterschaft (§§ 1600 d, 1600e Abs. 1 BGB) oder Anfechtung der Vaterschaft (§ 1600 a Abs. 3 und 4 BGB), die Mitwirkungsrechte im schulischen Bereich (OVG Münster, Beschluss v. 5.3.2001, 19 B 1888/00), die Beteiligung im Jugendstrafverfahren (BVerfG, Urteil v. 16.1.2003, 2 BvR 716/01), die religiöse Kindererziehung (§ 1 REKG), die Einwilligung in eine Eheschließung (vgl. § 1303 Abs. 3 BGB), die Zustimmung zu einem Ehevertrag (§ 1411 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die Einwilligung in ärztliche Behandlungen.

 

Rz. 33

Das gilt auch für einen Schwangerschaftsabbruch (OLG Hamm, Beschluss v. 17.7.1998, 15 W 274/98). Die dazu notwendige Zustimmung der Eltern kann gerichtlich ersetzt werden (§ 1666 Abs. 3 BGB), wenn die Entscheidung der Eltern sich als Missbrauch des Sorgerechts darstellt und dadurch das Wohl des Mädchens gefährdet wird. Diese Voraussetzungen haben Gerichte für gegeben erachtet, wenn die Eltern zwar eine Abtreibung ablehnen, dem Kind aber zugleich jede Unterstützung entziehen (OLG Naumburg, Beschluss v. 19.11.2003, 8 WF 152/03). Grundsätzlich wird aber in der verweigerten Zustimmung kein Sorgerechtsmissbrauch zu erkennen sein (OLG Hamm, Beschluss v. 17.7.1998, 15 W 274/98).

 

Rz. 34

Zur Entscheidung über ärztliche Maßnahmen gehört schließlich die Frage, ob eine künstliche Beatmung und Ernährung bei einem nach Unfall dauerhaft komatösen Kind abgebrochen wird (OLG Brandenburg, Beschluss v. 17.2.2000, 10 UF 45/99; OLG Hamm, Beschluss v. 24.5.2007, 1 UF 87/07). Ob diese Entscheidung einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, ist für den Bereich der elterlichen Sorge höchstrichterlich noch nicht geklärt. Die Rechtslage ist aber vergleichbar mit der im Betreuungsrecht (§§ 1896 ff. BGB). Dort bedarf der Betreuer als gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) für die Entscheidung, eine künstliche Ernährung abzubrechen, nur der vormundschaftgerichtlichen Genehmigung, wenn der behandelnde Arzt die lebenserhaltende Maßnahme für medizinisch geboten oder vertretbar erachtet und der Betreuer sich diesem Angebot des Arztes verweigert (BGH, Beschluss v. 8.6.2005, XII ZR 177/03; BGH, Beschluss v. 17.3.2003, XII ZB 2/03; OLG München, Beschluss v. 25.1.2007, 33 Wx 6/07). Soweit das Pflegepersonal oder weitere Verwandte den Eindruck gewinnen, Arzt und Eltern treffen Entscheidungen gegen das Kindeswohl, besteht die Möglichkeit, beim Familiengericht Maßnahmen nach § 1666 BGB anzuregen. Allein Zulassen des Sterbens ist als ein Sorgerechtsmissbrauch aber nicht zu sehen, wenn aus medizinischer Sicht eine Verbesserung des gesundheitlichen Zustands des Kindes nicht zu erwarten ist (OLG Hamm, Beschluss v. 24.5.2007, 1 UF 78/07; das BVerfG hat auf die Verfassungsbeschwerde des Verfahrenspflegers des Kindes durch Beschluss v. 6.6.2007, 1 BvQ 18/07, im Wege der einstweiligen Anordnung die Entscheidung des OLG Hamm für 6 Monate ausgesetzt, ohne in der Sache Stellung zu nehmen).

2.2.1.2 Vermögenssorge

 

Rz. 35

Der Inhalt der Vermögenssorge ist in §§ 1638 bis 1649 BGB näher bestimmt. Danach umfasst die Vermögenssorge das Recht und die Pflicht, das Vermögen des Kindes zu verwalten, zu erha...

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