Rz. 38
In allen Angelegenheiten der Personen- und Vermögenssorge sind die Sorgeberechtigten berechtigt und verpflichtet, das Kind gegenüber Dritten zu vertreten (§ 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB). Soweit die elterliche Sorge Vater und Mutter gemeinsam zusteht, gilt der Grundsatz der Gesamtvertretung (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 HS 1 und Satz 3 HS 2 BGB). Davon ausgenommen sind alle bei Gefahr in Verzug unaufschiebbaren Rechtshandlungen (§ 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB) wie die unverzüglich zu treffende Entscheidung über eine Operation nach einem Unfall. Zudem reicht es für den Zugang einer Willenserklärung (§ 131 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB) aus, wenn die Abgabe gegenüber einem Elternteil erfolgt (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 HS 2 BGB). Einen Sonderfall regelt schließlich § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB für Unterhaltsansprüche des Kindes nach Trennung der Eltern. Hier kann der Elternteil, bei dem sich das Kind tatsächlich befindet, die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das gilt auch für die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Notwendig ist aber, dass sich das Kind noch zu diesem Zeitpunkt in der Obhut des die Zwangsvollstreckung beantragenden Elternteils befindet (OLG Koblenz, Beschluss v. 6.2.2007, 11 WF 1211/06).
Rz. 39
Unabhängig von dem Grundsatz der Gesamtvertretung können Eltern sich gegenseitig bevollmächtigen (§ 167 Abs. 1 BGB). Die Bevollmächtigung kann ausdrücklich erfolgen, sich aber auch konkludent aus einer dauerhaft praktizierten Funktionsteilung ergeben. Der bevollmächtigte Ehegatte ist dann befugt, für beide Sorgeberechtigten zu handeln. Von einer Bevollmächtigung kann der Rechtsverkehr im Rahmen alltäglicher Erklärungen ausgehen. Dies gilt insbesondere für die Einwilligung in ärztliche Routinemaßnahmen wie eine Impfung oder Untersuchung aus Anlass einer Kinderkrankheit. Liegen dem Arzt keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vor, darf er deshalb auf eine Bevollmächtigung des einen Elternteils vertrauen (BGH, Urteil v. 15.2.2000, VI ZR 48/99; BGH, Urteil v. 28.6.1988, VI ZR 288/87).
Rz. 40
Vertretungsausschlüsse regelt § 1629 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BGB i. V. m. §§ 1795, 1796 BGB. Nach § 1795 BGB sind die Eltern von der Vertretung grundsätzlich ausgeschlossen bei Geschäften zwischen dem Kind und sich (§§ 1795 Abs. 2, 181 BGB) sowie zwischen dem Kind und Verwandten in gerader Linie, Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner eines Elternteils (§ 1795 Abs. 1 BGB). Etwas anderes gilt, wenn das Geschäft für das Kind lediglich rechtlich vorteilhaft ist (BGH, Urteil v. 21.6.1972, IV ZR 69/71; BGH, Urteil v. 25.4.1985, IX ZR 141/84; BGH, Beschluss v. 16.4.1975, V ZB 15/74; BGH, Urteil v. 26.5.1982, IVb ZR 715/80; BayObLG, Beschluss v. 29.5.1998, 2Z BR 85/98; zu den damit verbundenen Problemen und Fragen im Rahmen einer Grundstücksübertragung vgl. Jurgeleit, Eigentumserwerb an Grundstücken, in: Schreiber, Handbuch des Immobilienrechts, 2. Aufl. 2005, S. 842 ff.). Darüber hinaus kann das Familiengericht nach § 1796 BGB den Eltern für einzelne Angelegenheiten die Vertretungsmacht entziehen, wenn ein konkreter und erheblicher Gegensatz der Interessen der Eltern einerseits und des Kindes andererseits besteht. Einer Mutter kann aber die elterliche Sorge für die Durchführung eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens nicht entzogen werden (§ 1629 Abs. 2 Satz 3 HS 2 BGB). Weigert sich die Mutter, die Vaterschaft feststellen zu lassen, kann ihr dieser Teilbereich elterlicher Sorge nur unter den engen Voraussetzungen des § 1666 BGB unter umfassender Abwägung aller Interessen entzogen werden. Will die Mutter beispielsweise aufgrund einer Vergewaltigung oder eines Inzestes die Vaterschaft nicht feststellen lassen, ist das zu akzeptieren (BT-Drs. 13/892 S. 16 f., 30, 34 f.).