Rz. 100
Sorgerechtsentscheidungen unter anderem nach §§ 1628, 1671, 1672, 1678, 1680, 1682 BGB können nach § 1696 Abs. 1 BGB geändert werden, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gesichtspunkten angezeigt ist. Mit dieser Regelung sind 2 Zielsetzungen verbunden.
Rz. 101
Zum einen wird den Beteiligten eine erneute Verfahrenseinleitung nur zugestanden, wenn sich die für die ursprüngliche Regelung maßgebenden Umstände verändert haben. Es ist ausgeschlossen, auf im wesentlichen unveränderter Tatsachengrundlage noch mal die Anträge zu stellen, über die bereits formell rechtskräftig entschieden wurde (OLG Bamberg, FamRZ 1990 S. 1135; OLG Köln, Beschluss v. 10.10.2006, 4 UF 42/06; Götz, in: Palandt, BGB, § 1696 Rz. 13; Ziegler, in: Weinreich/Klein, FamR, § 1696 Rz. 9).
Rz. 102
Zum anderen soll nicht jede Veränderung der entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände eine Änderung bewirken können. Es bedarf vielmehr einer gesteigerten Kindeswohlprüfung. Dass die Abänderung auch dem Kindeswohl entsprechen würde, reicht im Interesse der Erziehungskontinuität nicht (Götz, in: Palandt, BGB, § 1696 Rz. 8 und 11). Die Vorteile einer Änderung müssen vielmehr die damit verbundenen Nachteile deutlich überwiegen (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 30.12.1999, 2 UF 197/99; OLG Nürnberg, Beschluss v. 21.8.2001, 11 UF 1044/01; OLG Köln, Beschluss v. 19.10.2004, 4 UF 123/03; OLG Köln, Beschluss v. 10.10.2006, 4 UF 42/06; OLG Köln, Beschluss v. 23.10.2006, 4 UF 129/06; OLG Bamberg, Beschluss v. 15.12.2006, 15 UF 88/06; Ziegler, in: Weinreich/Klein, FamR, § 1696 Rz. 10).
In Abweichung von diesen Grundsätzen kann es in außergewöhnlichen Konstellationen notwendig sein, den Maßstab des § 1696 BGB unter Beachtung des durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrechts in verfassungskonformer Auslegung zu reduzieren und ausschließlich eine Kindeswohlprüfung entsprechend §§ 1671, 1680 Abs. 2 BGB vorzunehmen (BGH, Beschluss v. 25.5.2005, XII ZB 28/05). In dem Fall des BGH entzog das Familiengericht der alleinsorgeberechtigten Mutter die elterliche Sorge, so dass der Vater weder durch Heirat der Mutter (§ 1680 Abs. 3, Abs. 2 BGB) noch durch eine gemeinsame Sorgeerklärung (§ 1626b Abs. 3 BGB) die elterliche Sorge erhalten konnte. Denn das Familiengericht hatte bereits eine Entscheidung getroffen, die nur nach § 1696 BGB abänderbar war. Dem BGH ist zuzustimmen, in einer solchen Konstellation das Elternrecht des Vaters durch eine Reduzierung des Abänderungsmaßstabes zu wahren. Im Übrigen besteht aber kein Grund, von den Anforderungen des § 1696 BGB abzuweichen (OLG Köln, Beschluss v. 10.10.2006, 4 UF 42/06; OLG Köln, Beschluss v. 23.10.2006, 4 UF 129/06; OLG Bamberg, Beschluss v. 15.12.2006, 15 UF 88/06; vgl. Luthin, FamRZ 2005 S. 1471; a. A. OLG Hamm, Beschluss v. 7.11.2006, 3 UF 75/06; Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1696 Rz. 6).
Rz. 103
Auf dieser Grundlage sind die für das Kindeswohl jeweils entscheidenden Kriterien zu prüfen (für § 1671 BGB vgl. Rz. 53 ff.). So können massive Pflichtverletzungen, Gewaltanwendungen, sexueller Missbrauch, aber auch ein dauerhafter veränderter Wille des Kindes (OLG Schleswig, Beschluss v. 25.8.1989, 13 UF 119/89) zu einer Abänderung der ursprünglichen Entscheidung führen.