Rz. 27

Gemäß § 1610 Abs. 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des minderjährigen Kindes (angemessener Unterhalt). Der angemessene Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf und den Kosten der Erziehung (§ 1610 Abs. 2 BGB). Um den angemessenen Unterhalt zu bestimmen, ist zwischen dem regelmäßigen Bedarf, einem regelmäßigen Mehrbedarf und einem Sonderbedarf zu unterscheiden.

2.2.2.2.1 Regelmäßiger Bedarf

 

Rz. 28

Der regelmäßige Bedarf (Elementarunterhalt) eines minderjährigen Kindes wird durch die – ggf. sich verändernde – Lebensstellung der Eltern geprägt (Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1610 Rz. 3). Die Höhe des Unterhalts bestimmt sich daher einerseits nach den Bedürfnissen des Kindes außerhalb der tatsächlichen Betreuung (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) und andererseits nach den Einkommensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Mindestens kann das minderjährige Kind die in § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB genannten Beträge verlangen. Der Mindestunterhalt richtet sich nach der Höhe des steuerlichen Freibetrages (Kinderfreibetrag) gemäß § 32 Abs. 6 Satz EStG. Zurzeit sind das nach § 36 Nr. 4 EGZPO für die Altersstufe bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres 279,00 EUR monatlich, bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres 322,00 EUR monatlich und ab dem 13. Lebensjahr 365,00 EUR monatlich. Das so definierte Existenzminimum wird alle 2 Jahre neu ermittelt. Mit dieser Regelung entfallen die Regelbetrag-Verordnung und alle Ost-West-Unterschiede (Born, NJW 2008 S. 1, 4).

 

Rz. 29

Auf dieser Grundlage ist die Düsseldorfer Tabelle (Rz. 170) in Zusammenarbeit der Oberlandesgerichte und des Familiengerichtstages entwickelt worden. Diese Tabelle hat keine Gesetzeskraft, sondern stellt Richtlinien dar, die monatliche Unterhaltssätze bezogen auf eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Ehegatten und 2 Kindern ausweist. Bei mehr oder weniger Unterhaltsberechtigten kommt eine Verschiebung der Einkommensgruppe nach unten oder oben in Betracht. Die Richtsätze der 1. Einkommensgruppe entsprechen den sich aus § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 36 Nr. 4 EGZPO ergebenden Mindestbeträgen.

 

Rz. 30

Die Richtsätze der Düsseldorfer Tabelle decken grundsätzlich den üblichen, elementaren Barbedarf eines Kindes insgesamt ab (BGH, Urteil v. 14.3.2007, XII ZR 158/04).

2.2.2.2.2 Mehrbedarf

 

Rz. 31

Ein regelmäßiger Mehrbedarf ist gegeben, wenn wiederkehrend Aufwendungen notwendig sind, die keinen Bezug zu dem üblichen Barbedarf haben, d. h. vom Elementarunterhalt nicht oder teilweise nicht gedeckt sind. Für die unteren Einkommensgruppen ist dies stets anzunehmen (OLG Köln, Beschluss v. 29.10.1998, 14 WF 157/98). Ab Einkommensgruppe 6 enthalten die Regelsätze aber ca. 20,00 EUR für weitere Bedarfspositionen. Dieser Betrag erhöht sich für jede Einkommensgruppe um 50 % (OLG Düsseldorf, Urteil v. 8.7.2005, 3 UF 21/05).

 

Rz. 32

Zum regelmäßigen Mehrbedarf gehören Kosten für einen Nachhilfeunterricht (OLG Düsseldorf, Urteil v. 8.7.2005, 3 UF 21/05; OLG Hamm, Beschluss v. 4.12.1990, 3 WF 342/90; OLG Zweibrücken, Urteil v. 6.5.1993, 5 UF 124/91), dauerhafte krankheitsbedingte Mehrkosten (OLG Karlsruhe, Urteil v. 26.8.1997, 18 UF 44/97) einschließlich einer psychotherapeutischen Behandlung (OLG Düsseldorf, Urteil v. 11.9.2000, 2 UF 67/00), der Besuch einer Privatschule (OLG Hamm, Beschluss v. 25.3.1997, 12 WF 59/97) oder die Kosten für die Ausbildung zu einem Konzertmusiker (BGH, Urteil v. 11.4.2001, XII ZR 192/99).

 

Rz. 33

Umstritten ist die Einordnung von Kindergartenbeiträgen. Diese werden teilweise als Mehrbedarf angesehen (OLG Stuttgart, Beschluss v. 16.6.1998, 15 WF 264/98; OLG Celle, Urteil v. 30.8.2002, 21 UF 26/02; teilweise als üblicher Barbedarf qualifiziert, der in dem Mindestbetrag nach § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 36 Nr. 4 EGZPO (vgl. Rz. 28) und dem Richtsatz der 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle enthalten ist (OLG Stuttgart, Urteil v. 4.2.2004, 15 UF 217/03). Letzterer Auffassung – kein Mehrbedarf – hat sich der BGH für den Fall des halbtägigen Kindergartenbesuchs angeschlossen (BGH, Urteil v. 14.3.2007, XII ZR 158/04). Kindergartenbeiträge fallen bei Kindern vom 3. bis 6. Lebensjahr üblicherweise an und stellen deshalb keinen außergewöhnlichen Aufwand dar. Diese Kosten werden durch die Mindestunterhaltssätze gedeckt.

 

Rz. 34

Im Unterschied zum Elementarbedarf, den der barunterhaltspflichtige Elternteil allein zu tragen hat (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), haben sich – je nach Leistungsfähigkeit – beide Eltern am Mehrbedarf zu beteiligen, da § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB den tatsächlich betreuenden Elternteil nur von der Pflicht zur Zahlung des Elementarunterhalts befreit (OLG Düsseldorf, Urteil v. 8.7.2005, 3 UF 21/05).

2.2.2.2.3 Sonderbedarf

 

Rz. 35

Sonderbedarf ist ein unregelmäßiger außergewöhnlicher Bedarf (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Er kann deshalb ohne die Einschränkungen des § 1613 Abs. 1 BGB für die Vergangenheit geltend gemacht werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Unter den Sonderbedarf fall...

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