Rz. 151
Für die rechtlichen Rahmenbedingungen ist zu differenzieren, ob der junge Volljährige zu den privilegierten Unterhaltsberechtigten i. S. d. §§ 1603 Abs. 2 Satz 2, 1609 Abs. 1 BGB gehört. Für die Privilegierung ist zum einen erforderlich, dass der junge Volljährige unverheiratet ist und im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebt. Zum anderen muss sich der junge Volljährige in einer allgemeinen Schulausbildung befinden. Das Tatbestandsmerkmal der "allgemeinen Schulausbildung" wird im BGB nicht näher definiert. Im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung ist es sachgerecht, zur Ausfüllung des Begriffs die Grundsätze heranzuziehen, die zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG entwickelt wurden (BGH, Urteil v. 10.5.2001, XII ZR 108/99). Danach bestehen folgende Voraussetzungen, um eine allgemeine Schulausbildung annehmen zu können:
Rz. 152
- Ziel des Schulbesuchs muss der Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für eine Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule oder Fachhochschule sein. Der Besuch einer Hauptschule, einer Realschule, eines Gymnasiums oder einer Fachoberschule ist davon stets umfasst, und zwar unabhängig von der Rechtsform als öffentliche Schulen, kirchliche Schulen oder Privatschulen. Nicht einbezogen sind aber Schulen, die neben allgemeinen Ausbildungsinhalten Wissen vermitteln, das auf ein konkretes Berufsbild bezogen ist (BGH, Urteil v. 10.5.2001, XII ZR 108/99).
Rz. 153
- Der Schulbesuch muss die Zeit und Arbeitskraft des jungen Volljährigen so ausschöpfen, dass eine Erwerbstätigkeit neben dem Schulbesuch nicht möglich ist. Die Unterrichtszeit darf daher im Regelfall 20 Wochenstunden nicht unterschreiten (BGH, Urteil v. 10.5.2001, XII ZR 108/99).
Rz. 154
- Die Schule muss so organisiert sein, dass die Teilnahme am Unterricht nicht dem Belieben des Schülers obliegt, sondern die Stetigkeit und Regelmäßigkeit des Schulbesuchs gewährleistet ist (BGH, Urteil v. 10.5.2001, XII ZR 108/99).
Rz. 155
Diese Voraussetzungen erfüllen neben den Haupt- und Realschulen, Gymnasien und Fachoberschulen die höhere Handelsschule (BGH, Urteil v. 9.1.2002, XII ZR 34/00), das Berufskolleg (OLG Köln, Urteil v. 17.5.2002, 25 UF 269/01), die Volkshochschule beim kontrollierten Unterricht, der zum Realschulabschluss führen soll (BGH, Urteil v. 10.5.2001, XII ZR 108/99) sowie das Berufsgrundbildungsjahr, das dem Erwerb des Hauptschulabschlusses dient (OLG Celle, Urteil v. 6.8.2003, 15 UF 14/03).
2.7.2.1 Privilegierte junge Volljährige
Rz. 156
Für privilegierte junge Volljährige gelten grundsätzlich die Regelungen, wie sie zum Unterhalt minderjähriger Kinder dargestellt wurden (Rz. 24 bis 67). Folgende Besonderheiten sind zu beachten.
2.7.2.1.1 Maß des Unterhalts
Rz. 157
Nach § 1610 Abs. 2 BGB erfasst der Unterhaltsanspruch eine angemessene Vorbildung zu einem Beruf. Deshalb unterfällt die Zeit der allgemeinen Schulausbildung grundsätzlich der Unterhaltspflicht. Dies gilt aber nicht uneingeschränkt.
Rz. 158
Verzögert sich die Schulausbildung aufgrund eines vorübergehenden leichten Versagens, müssen dies die Unterhaltsverpflichteten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) hinnehmen (OLG Hamm, Beschluss v. 14.10.2004, 11 WF 168/04). Handelt es sich um ein schweres Versagen (mehrfaches Sitzenbleiben, Nachholen des Hauptschulabschlusses nach 2-fachem Abbruch einer Berufsausbildung) ist unter Abwägung aller Umstände, die zu der Verzögerung der Schulausbildung beigetragen haben, festzustellen, ob trotz der langen Schulzeit noch eine Erfolgsprognose gestellt werden kann (OLG Köln, Urteil v. 9.11.2004, 4 UF 90/04; OLG Thüringen, Beschluss v. 10.12.2004, 1 UF 122/03). Verletzt aber der junge Volljährige seine Obliegenheit, planvoll und zielstrebig seine Ausbildung durchzuführen, büßt er seinen Unterhaltsanspruch ein und muss seinen Lebensunterhalt selbst verdienen (OLG Hamm, Beschluss v. 14.10.2004, 11 WF 168/04: Hauptschulabschluss, danach 2-maliger Ausbildungsabbruch, danach Abbruch einer Maßnahme zur Berufsorientierung, dann Besuch eines Kollegs zur Erreichung der mittleren Reife).
Rz. 159
Für volljährige Kinder, die noch im Haushalt eines Elternteils oder beider Eltern wohnen, bemisst sich der Unterhalt nach der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle.
2.7.2.1.2 Bedürftigkeit
Rz. 160
Ein Volljähriger ist grundsätzlich gehalten, seinen Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit sicherzustellen (BGH, Urteil v. 6.12.1984, IVb ZR 53/83; OLG Hamm, Beschluss v. 14.10.2004, 11 WF 168/04; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.2.2004, 3 WF 8/04). Eine Bedürftigkeit kann deshalb nur angenommen werden, wenn der Volljährige aufgrund einer Ausbildung, deren Finanzierung zur Unterhaltspflicht gehört (§ 1610 Abs. 2 BGB), einer eigenen Erwerbstätigkeit nicht nachzugehen braucht. Auf den Unterhaltsbedarf ist aber die um eine Ausbildungspauschale verminderte Ausbildungsvergütung bedarfsdeckend anzurechnen (BGH, Urteil v. 26.10.2005, XII ZR 34/03, vgl. auch Rz. 40). Gleiches gilt für das Kindergeld (§ 1612b Abs. 1 BGB; vgl. dazu Rz. 42).
2.7.2.1.3 Teilschuldnerschaft
Rz. 161
§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, der den Betreuungsunterhalt mit dem Barunt...