Rz. 62
Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe – KICK (vgl. Rz. 1) – hat den neuen Abs. 4 geschaffen. Diese Vorschrift stellt klar, dass Hilfe zur Erziehung auch dann in Betracht kommt, wenn ein junges Mädchen, das selbst Leistungsempfängerin einer Hilfe zur Erziehung ist, Mutter eines Kindes wird. Ausgelöst wird dieser Anspruch allein durch die Geburt des Kindes, während die Mutter eine Hilfe zur Erziehung bezieht (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 27 Rz. 103). Die Vorschrift richtet sich an junge Mütter, die in einer Pflegefamilie nach § 33 oder in einer Einrichtung nach § 34 leben. Der Gesetzgeber hat hierbei erkannt, dass sich in der Praxis Zuordnungsprobleme ergaben, wenn ein junges Mädchen Hilfe zur Erziehung erhält und selbst Mutter eines Kindes wird. Bis zur Einfügung des Abs. 4 wurde dieses Interesse nicht ausreichend im Gesetz berücksichtigt. Bis dahin wurde für diese Situation vorrangig die Hilfe nach § 19 als einschlägig betrachtet. Dies war jedoch oftmals nicht ausreichend, denn § 19 sieht keine pädagogischen und therapeutischen Leistungen vor und berücksichtigt nicht, dass dieser Bedarf bei der jungen Mutter verstärkt vorliegt. Gleichzeitig wurde ein Mädchen/eine junge Frau benachteiligt, indem es/sie nur noch Unterstützung für seine/ihre Rolle als Mutter erhielt und seine/ihre individuelle Entwicklung nicht ausreichend gefördert wurde.
Durch die nunmehr eingefügte Vorschrift soll klargestellt werden, dass Hilfe zur Erziehung auch Unterstützung der Mutter umfasst, die selbst Leistungsempfängerin ist. Die Neuregelung in Abs. 4 beseitigt daher diese Ungleichbehandlung und stellt klar, dass in diesen Fällen Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung der Mutter als Leistungsempfängerin bei der Pflege und Erziehung ihres Kindes umfasst. Damit ist gewährleistet, dass sie die ihrem Bedarf entsprechende Hilfe erhält und das neugeborene Kind in die Leistung einbezogen wird (so die ausdrücklichen gesetzgeberischen Erwägungen; vgl. BT-Drs. 15/5616 S. 25, 26). Es soll weiterhin die individuelle Entwicklung der Jugendlichen gefördert werden, gleichzeitig ist aber das neugeborene Kind in die Leistung einzubeziehen. Neben der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung einer jungen Mutter durch pädagogische und damit verbundene therapeutische Leistungen nach Abs. 3 soll diese nach Abs. 4 im Rahmen der Hilfe zur Erziehung auch zur Pflege, Erziehung und Förderung ihres Kindes befähigt werden. Anspruchsvoraussetzung für diese Leistung ist jedoch ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift, dass ein Kind oder eine Jugendliche Mutter eines Kindes wird, während sie selbst in einer Pflegestelle oder Einrichtung lebt. (Zur Abgrenzung der Hilfen zur Erziehung zu den Leistungen nach § 19 SGB VIII vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 5.1.2007, JAmt 2007, 193).