Rz. 5
Kinder- und Jugendhilfe war ursprünglich allein Aufgabe freier Träger. Insbesondere die Kirchen und deren Sozialeinrichtungen widmeten sich dieser Aufgabe. Erst im 19. Jahrhundert wurde nach und nach dieser Bereich – zunächst als Teil der Armenfürsorge – als staatliche Aufgabe begriffen. Anders als zuvor im RJWG und im JWG werden die freien Träger nicht mehr in verschiedene Gruppen eingeteilt. Es soll der Eindruck vermieden werden, dass ein abgeschlossener Kreis freier Träger vorgegeben werden solle. Dementsprechend hat SGB VIII bewusst auf eine Definition oder eine Umschreibung des Kreises der freien Träger verzichtet. Jedoch benennt § 75 die Voraussetzungen für die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe. Dazu gehören als anerkannte Träger die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflegepflege (§ 75 Abs. 3). Ferner sind diejenigen juristischen Personen und Personenvereinigungen anerkennungsfähig, die auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig sind, gemeinnützige Ziele verfolgen, die fachlichen und personellen Voraussetzungen für die Erfüllung der Aufgaben mitbringen und die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten. Die Vorschrift des § 74, welche die Voraussetzungen für die Förderung der freien Träger regelt, stellt ebenfalls darauf ab, dass diese gemeinnützige Ziele verfolgen (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3). Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber die freien und gemeinnützigen Träger gegenüber den privat-gewerblichen Trägern privilegieren wollte. Die freien und gemeinnützigen Träger werden in § 17 Abs. 3 Satz 2 SGB I privilegiert, indem die Sozialleistungsträger mit ihnen zusammenarbeiten und ihre Selbständigkeit achten sollen. Darüber hinaus werden diese freien Träger an der Jugendhilfeplanung beteiligt und können von den öffentlichen Trägern mit den "anderen" Aufgaben betraut werden.
Rz. 6
Abgesehen von der aus der Anerkennung resultierenden Qualifizierung gibt es für eine weitergehende Einschränkung der Leistungsanbieter – etwa durch Ausschluss privat-gewerblicher Anbieter – keinen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten anzuerkennenden Grund, so dass als Träger der freien Jugendhilfe jeder anzusehen ist, der Aufgaben der Jugendhilfe wahrnimmt und nicht Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist (VG Stuttgart, Urteil v. 3.12.2003, 7 K 714/03; Neumann, in: Hauck/Noftz SGB VIII, § 3 Rz. 6). Die gegenteilige Auffassung, wonach es sich bei privat-gewerblicher Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht um Jugendhilfe i. S. d. SGB VIII handelt (so VG Minden, Urteil v. 25.2.1997, 6 K 4474/95; OVG Lüneburg Beschluss v. 10.3.2006, 4 ME 1/06), dürfte hingegen kaum noch vertretbar sein.
Rz. 7
Die freien Träger sind von den Aufgaben her gesehen Träger eigener Aufgaben, die ihnen vom Gesetz zugewiesen werden. Sie können grundsätzliche alle diejenigen Aufgaben nach dem SGB VIII wahrnehmen, die nicht ausdrücklich allein den öffentlichen Trägern zugewiesen sind. Dies folgt aus dem Grundsatz der Trägervielfalt. Zu den Aufgaben der freien Jugendhilfe gehören insbesondere verschiedene Formen der Selbsthilfe (§ 4 Abs. 3), Jugendarbeit in Jugendverbänden und Jugendgruppen (§ 12 Abs. 3) sowie die von den Wohlfahrtsverbänden und den Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts übernommenen Jugendhilfeaufgaben. Dementsprechend setzt das SGB VIII als freie Träger Selbsthilfegruppen (§ 4 Abs. 3), Jugendgruppen und Jugendverbände (§ 11 Abs. 2, § 12 Abs. 2) und die in § 75 Abs. 3 aufgeführten anerkannten Träger voraus. Diese Auflistung ist nicht abschließend. Hinzu kommen Vereine, Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und Stiftungen, die eine der im SGB VIII vorgesehenen Aufgaben wahrnehmen. Soweit sich die Tätigkeitsbereiche öffentlicher und freier Träger überschneiden, sieht § 4 Abs. 2 einen Vorrang der freien Jugendhilfe innerhalb der dort geregelten Grenzen vor. Nicht nur die Organisationsformen der freien Träger sind dem bürgerlichen Recht zugeordnet. Auch die Handlungsformen im Verhältnis zu den Leistungsempfängern sind privatrechtlicher Natur. Denn die freien Träger nehmen keine öffentlichen Aufgaben wahr.
Rz. 8
Vielfach bestehen zu den Leistungsempfängern vertragliche Beziehungen. Hierfür gibt das SGB VIII keine gesonderten Regelungen vor. Vielmehr gelten die vertragsrechtlichen Vorschriften des BGB. Die Benachteiligung eines freien Trägers gegenüber anderen kann gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, falls es dafür keinen sachlich gerechtfertigten Grund gibt. Der öffentliche Träger darf freie Träger unberücksichtigt lassen, wenn deren Bestand nicht gewährleistet ist oder sie nur in bescheidenem Umfang Bildungsarbeit leisten. Er darf nicht darauf abstellen, dass sie einer nicht im Rat vertretenen Partei nahestehen (OVG Münster, Urteil v. 18.8.1989, 5 A 814/88). Auch unter dem Gesichtspunkt der Sozialraumorientierung ist eine Kontingentierung oder Bud...