Rz. 3
Nach Satz 1 soll Sozialpädagogische Familienhilfe durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben.
2.1.1 Leistungsberechtigte
Rz. 4
Anspruchsinhaber der Hilfe ist, wie bei allen Hilfen zur Erziehung, der Personensorgeberechtigte. Personensorgeberechtigte ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht. Die Pflicht und das Recht der elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2, 1. Variante BGB die Personensorge und damit gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vertretung des Kindes (vgl. die Komm. zu § 27 im Abschnitt Personensorgeberechtigte).
Rz. 5
Für junge Volljährige ist die sozialpädagogische Familienhilfe nicht vorgesehen (hierauf verweist zutreffend Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 31 Rz. 17); § 41 Abs. 2 verweist ausdrücklich gerade nicht auf § 31 (und auch nicht auf § 32).
2.1.2 Hilfeempfänger
Rz. 6
Die Sozialpädagogische Familienhilfe wird der ganzen Familie geleistet und soll nicht nur in der Familie vorhandene Kinder, sondern alle Familienmitglieder erreichen, bei denen zumeist multiple Probleme vorliegen (Sächs. OVG, Beschluss v. 26.6.2018, 4 A 87/16). Die Sozialpädagogische Familienhilfe betreut und unterstützt die gesamte Familie. Dies können neben den Personensorgeberechtigten auch andere Familienmitglieder sein. Das Hilfsangebot soll aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung tragen. Daher ist der Begriff "Familie" weit auszulegen. Er umfasst nicht nur verheiratete Eltern und ihre Kinder – und damit die sog. Kernfamilie –, sondern auch nicht verheiratete Eltern, Alleinerziehende, Stiefelternteile, Adoptiveltern usw. Man wird auch eine Pflegefamilie unter die Vorschrift fassen müssen, denn auch die gewachsenen Beziehungen in der Pflegefamilie stehen unter dem Schutz von Art. 6 GG (BVerfG, Beschluss v. 17.10.1984, 1 BvR 284/84). Überdurchschnittlich oft wird die Hilfe in der Praxis bei alleinerziehenden Elternteilen eingesetzt.
2.1.3 Anwendungsbereich
Rz. 7
Die Vorschrift benennt ihre wesentlichen Ziele und Merkmale in Satz 1. Demnach soll die Hilfsform eine Beratung und Unterstützung von Familien bei verschiedenen Problemen bieten. Hilfe kommt in Betracht bei Erziehungsaufgaben, bei zu bewältigenden Alltagsproblemen, bei der Lösung von Konflikten und Krisen sowie bei Kontakt mit Ämtern und Institutionen. Der Anwendungsbereich ist damit sehr weit gefasst und soll alle regelmäßig vorkommenden Problembereiche und Konfliktfelder einschließen.
Rz. 8
Eine sozialpädagogische Familienhilfe ist vor allem für folgende klassische Anwendungsbereiche geeignet:
- Gefährdungen von Kindern und Jugendlichen durch Vernachlässigung, Verwahrlosung, Misshandlung;
- besondere Krisensituationen nach familiären Veränderungen, wie Trennung der Eltern, Inhaftierung eines Elternteiles, Tod eines Elternteiles, Wiederheirat usw.;
- Vorbereitung und Begleitung einer Rückführung von Kindern oder Jugendlichen in die Familie;
- mangelnde Erziehungskompetenzen bzw. mangelnde psychische Stabilität eines Elternteiles;
- Überforderung, Überschuldung usw.
Rz. 9
Bereits aus der Aufzählung des Anwendungsbereichs folgt, dass die Hilfe geprägt wird von einem Nebeneinander bzw. Miteinander sowohl pädagogischer, als auch alltagspraktischer Hilfen. Neben klassischer Erziehungsberatung kann sich die Hilfe im Schwerpunkt gleichermaßen auf Unterstützung im Umgang mit Ämtern oder Behörden richten. Speziell bei sozial schwachen Familien sind Auseinandersetzungen mit Behörden keine Seltenheit.
2.1.4 Anspruchsvoraussetzung
Rz. 10
Die Grundvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 müssen erfüllt sein; insbesondere darf daher die Erziehung nicht gewährleistet sein (zu den allgemeinen Voraussetzungen der notwendigen Gefährdungslage vgl. die Komm. zu § 27). Wie bei allen anderen Hilfearten auch ist Kernvoraussetzung die Geeignetheit und Notwendigkeit der Maßnahme i. S. der in § 27 Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen mit Doppelfunktion. Die Geeignetheit ist daher nicht nur allgemein, sondern im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zu überprüfen (BVerwG, Entscheidung v. 9.12.2014, 5 C 32/13 Rz. 19; Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2023, § 27 Rz. 55). Wie bei allen anderen Hilfearten auch besitzt der Jugendhilfeträger bei der Entscheidung darüber, welche Hilfeart im Einzelfall geeignet und notwendig ist, einen Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist (vgl. hierzu näher die Komm. zu § 27 im Abschnitt Hilfearten nach Abs. 2 – Beurteilungsspielraum). Die Soll-Formulierung in der Vorschrift bezeichnet die Aufgabenstellung des Familienhelfers, nicht aber den Rechtscharakter der Leistung (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 08/2015, Werkstand: 2023, § 31 SGB VIII Rz. 4); es besteht daher auf diese Leistung grundsätzlich ein Rechtsanspruch. Weiterh...