Rz. 25
Hierfür zählt die Vorschrift abschließend den Personenkreis auf, der für die Abgabe einer solchen Stellungnahme in Betracht zu ziehen ist:
- ein Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (Nr. 1) oder
- ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, ein Psychotherapeut mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen (Nr. 2) oder
- ein Arzt oder psychologischer Psychotherapeut, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt (Nr. 3).
Rz. 25a
Andere Personen sind daher nicht zur Abgabe der Stellungnahme berufen; so reicht eine Stellungnahme z. B. einer Pflegefachkraft, die ein Gutachten für den Medizinischen Dienst erstellt hat, oder eines Arztes für Kinder- und Jugendmedizin nicht aus (OVG Land Schleswig-Holstein, Beschluss v. 11.11. 2022, 3 MB 15/22, Rz. 25).
Rz. 25b
Die Beurteilung der Abweichung ist dem in Satz 1 abschließend aufgezählten Personenkreis vorbehalten; die Entscheidung über die geeignete und notwendige Hilfe hingegen treffen die Fachkräfte des Jugendamtes (vgl. stellv. VG Gera, Beschluss v. 7.3.2023, 6 E 115/23 Ge). Das Jugendamt ist aber weder befugt noch in der Lage, sich an die Stelle der ärztlichen Einschätzung zur Abweichung von der alterstypischen seelischen Gesundheit zu setzen. Es verfügt in der Sache allenfalls über eine eingeschränkte Überprüfungskompetenz. Das Jugendamt ist jedoch angehalten, die Einhaltung der formellen Voraussetzungen des Verfahrens nach § 35a Abs. 1a zu kontrollieren (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 11.11. 2022, 3 MB 15/22, Rz. 20).
Rz. 26
Namentlich die letzte Personengruppe belässt dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen Spielraum bei der Auswahl und öffnet so den abschließenden Charakter der Aufzählung. Der namentlich benannte Personenkreis muss dabei über die entsprechende Fachkompetenz verfügen (zur notwendigen Sachkunde der Fachperson vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.6.2011, 12 B 601/11). Der Gesetzgeber hat mit der Nr. 1 und der Nr. 3 zur Sicherstellung der hinreichenden Fachkompetenz ausdrücklich die Approbation als Nachweis einer solchen Fachkompetenz anerkannt. Die Gruppe der nach Nr. 2 ebenfalls zur Stellungnahme berufenen Personengruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten oder eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen hat den Fachkompetenznachweis regelmäßig erbracht durch eine auf dem Studium aufbauende fachkundliche Weiterbildung in Psychotherapie mit Schwerpunkt Kinder und Jugend.
Rz. 27
Soweit durch Art. 7 des Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung v. 15.11.2019 (BGBl. I S. 1604) nach § 35a Abs. 1a Nr. 2 der Jugendlichenpsychotherapeut zum Adressat der Abgabe der Stellungnahme gemacht wird und begrifflich der Jugendpsychotherapeut (zum 31.8.2020) abgelöst wurde, handelt es sich um eine Folgeänderung durch die Einführung der neuen Berufsbezeichnung (BT-Drs. 19/9770 S. 67; BR-Drs. 98/19 (neu) S. 73); vgl. insoweit § 1 PsychThG (i. d. F. v. 15.11.2019, gültig ab 1.9.2020).
Rz. 28
Nach der ab dem 1.9.2020 geltenden Fassung kann die Stellungnahme nunmehr ausdrücklich weiter auch durch einen Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen abgegeben werden; dies ergibt sich aus der geänderten Aus- und Weiterbildungsstruktur durch das Gesetz über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz – PsychThG, BGBl. I S. 1604), worauf bereits der Gesetzgeber hingewiesen hatte, allerdings nicht zu § 35a, sondern zu einer gleichgelagerten Änderung in § 95 SGB V (vgl. BT-Drs. 19/9770 S. 65; BR-Drs. 98/19 (neu), S. 70 zu Art. 2 Nr. 6b des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung v. 15.11.2019, BGBl. I S. 1604). Der neue Ausbildungsweg nach dem PsychThG beinhaltet ein 5-jähriges Hochschulstudium der Psychotherapie auf Masterniveau, das mit der Approbation abgeschlossen wird; vgl. §§ 7 ff. PsychThG. Im Anschluss folgt eine Weiterbildung, die aufgrund der bereits erlangten Approbation künftig nicht mehr in Form eines Praktikantenverhältnisses durchlaufen wird, sondern in einem Angestelltenverhältnis mit einer entsprechenden Vergütung. Mit der Weiterbildung sollen Schwerpunkte in der Behandlung von Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen gesetzt und eine vertiefte Qualifizierung in einem wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren erworben werden (vgl. auch BR-Drs. 98/19 (neu), Anlage, S. 2).
Rz. 29
Verfügt ein psychologischer Psychotherapeut nach Nr. 3 weder über eine Approbation noch über eine spezielle fachkundige Weiterbildung, kann auch die Berufserfahrung auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen hinreichend sein. Diese Anforderung ist gesetzlich nicht näher beschrieben, muss sich jedoch an den Maßstäben der Approbation bzw. der speziellen fachkundigen Weiterbildung der Kinder- und Jugendpsychotherapeuten orientieren. Eine feste Zei...