Rz. 31
Nach Satz 3 (ursprünglich in der noch bis 9.6.2021 geltenden Fassung in Satz 4 geregelt; durch Art. 1 Nr. 30 des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) v. 3.6.2021, BGBl. I S. 1444, mit Wirkung zum 10.6.2021 wurde durch den Entfall von Satz 3 der Abs. 1 insoweit neu nummeriert) soll zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden, wenn eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar ist.
Rz. 32
Ist eine nachhaltige Verbesserung der Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb des vertretbaren Zeitraums nach Satz 3 nicht erreichbar, bleibt der Anspruch der Eltern – wie er in Satz 1 niedergelegt ist – auf Beratung und Unterstützung sowie der Anspruch auf Förderung ihrer Beziehung zum Kind dem Grunde nach zwar erhalten. Allerdings erfährt der Anspruch einen Perspektivwechsel insoweit, als nicht mehr die Rückkehr in die Herkunftsfamilie anzustreben ist, sondern die Entwicklung einer auf Dauer angelegte Lebensperspektive. Auch in dieser zweiten Phase sind Beratung und Unterstützung der Eltern bei der Erarbeitung und vor allem auch bei der Sicherung einer auf Dauer angelegten Lebensform außerhalb der Herkunftsfamilie von großer Bedeutung. Auch hier ist es wichtig, die Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung zu unterstützen, die in diesem Fall darin besteht, die Notwendigkeit des dauerhaften Aufwachsens des Kindes in einer anderen Familie oder in einer Einrichtung anzuerkennen, zu akzeptieren und ggf. sogar konstruktiv – auch über gelingende Umgangskontakte – zu begleiten (vgl. auch: BR-Drs. 5/21 S. 86 = BT-Drs. 19/26107 S. 89).
Rz. 33
Insbesondere auch in dieser zweiten Phase soll die Beziehung des Kindes zur Herkunftsfamilie gefördert werden, indem insbesondere Hilfestellung bei der Ausgestaltung und Durchführung eines dem Kindeswohl entsprechenden Umgangs geleistet wird (vgl. auch: BR-Drs. 5/21 S. 86 = BT-Drs. 19/26107 S. 89).
Rz. 34
Die Vorschrift weist dem Träger der Jugendhilfe in letzter Konsequenz die Aufgabe zu, für das Kind oder den Jugendlichen eine auf Dauer angelegte Lebensperspektive auch außerhalb der Herkunftsfamilie zu erarbeiten, sofern die Rückkehroption fehlschlägt bzw. im vertretbaren Zeitraum des Satzes 3 nicht zu erreichen ist; der Schwebezustand ist dann im Interesse des Kindes zu beenden. Die Erarbeitung der Lebensperspektive ist nachrangig und ultima ratio bei der Unterstützungs- und Beratungsarbeit. Hierfür steht dem Jugendamt das gesamte Instrumentarium einer dauerhaften Unterbringung zur Verfügung. Hierzu zählen die Vollzeitpflege nach § 33, ein Pflegeverhältnis i. S. d. § 35 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, die Betreuung in einer Behinderteneinrichtung i. S. d. § 35a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, die Erziehung in einem Heim i. S. d. § 34 oder die Verselbständigung in einer sonstigen betreuten oder sozialpädagogischen Wohnform i. S. d. § 34, § 35, § 41 Abs. 2 (vgl. auch § 13 Abs. 3). Auch hierbei ist der Vorrang der Adoption i. S. d. § 36 Abs. 1 Satz 2 als wichtigstes Instrument zu berücksichtigen. Im Interesse des Kindes ist die Betreuungssituation möglichst beizubehalten und ein weiterer Wechsel in der Bezugsperson zu vermeiden. Bei einer Adoption sind daher die Pflegeeltern vorrangig zu berücksichtigen. Eine solche auf Dauer angelegte, neue Lebensperspektive kann gegen den Willen der Eltern nur über eine gerichtliche Anordnung i. S. d. § 1632 Abs. 4, § 1666, § 1666a BGB erfolgen (so auch: Wiesner, § 37 SGB VIII, Rz. 32; Münder, § 37 SGB VIII, Rz. 19). Allerdings gehört es im Rahmen der Erarbeitung dieser Lebensperspektive auch zu den Aufgaben des Jugendamtes, die Eltern von dem Sinn dieser dauerhaften Lösung außerhalb der Herkunftsfamilie zu überzeugen, um so die gerichtliche Durchsetzung zu vermeiden.
Rz. 35
Die insoweit ebenfalls notwendige Unterstützung der Pflegeeltern ist durch das KJSG ab dem 10.6.2021 in § 37a geregelt.