Rz. 2
Die Vorschrift regelt die Sicherstellung des Unterhalts von Kindern und Jugendlichen, die außerhalb ihres Elternhauses Hilfe zur Erziehung erhalten – das sog. Pflegegeld. Damit soll vermieden werden, dass sich der Leistungsberechtigte zur Deckung des Lebensunterhalts an das Sozialamt wenden muss (Stähr, Hauck/Noftz, Stand: 06/2021, Werkstand: 2023, § 39 SGB VIII, Rz. 1). Die Gewährung von pädagogischer Hilfe und Unterhaltsleistungen sollen aus einer Hand erfolgen (Wiesner, § 39 SGB VIII, Rz. 2; vgl. zu dieser Zielsetzung auch, v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 39 Rz. 4, 135). Der Unterhaltsanspruch ist eine Annexleistung; die Regelung stellt keinen selbständigen Anspruch dar (BVerwG, Beschluss v. 24.9.2007, 5 B 154/07; BVerwG, Urteil v. 12.9.1996, 5 C 31/95; Bay VGH München, Beschluss v. 29.12.2005, 12 ZB 04.1571; Sächs. OVG, Urteil v. 2.7.2008, 1 A 90/08; Wiesner, § 39 SGB VIII, Rz. 6; weitere Nachweise zum Charakter als Annexleistung vgl. Rz. 3; v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 39 Rz. 5, 6 ff.); wohl aber handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, die ein Ermessen ausschließt. Sinn und Zweck der Regelungen in § 39 ist es, Personen zu finden, die anstelle der Eltern Erziehungsaufgaben übernehmen. Finanzielle Engpässe dürfen nach den in § 1 festgelegten Zielen des Jugendhilferechts nicht zu Einschränkungen hinsichtlich des fachlich notwendigen Leistungsumfangs führen. Inhaltlich erfasst § 39 den notwendigen Unterhalt zum Lebensbedarf des Kindes i. S. d. § 39 Abs. 1 Satz 1, also die Sachaufwendungen (zu den einzelnen Positionen vgl. unter Rz. 10, die nunmehr ausdrücklich durch § 39 Abs. 1 Satz 2 klargestellt sind.).
Außerdem sind auch die Kosten der Erziehung und der Pflege i. S. d. § 39 Abs. 1 Satz 2 geregelt (zu den Grundsätzen der Festsetzung der Kosten der Erziehung vgl. BVerwG, Beschluss v. 26.3.1999, 5 B 129/98; vgl. auch Wiesner, § 39 SGB VIII, Rz. 14 f.; zum Umfang und Inhalt des Pflegegelds nach § 39 Abs. 1 Satz 1 und 2 vgl. auch OLG Köln, Beschluss v. 15.10.2009, 4 WF 160/09). Insoweit das Pflegegeld Kosten der Erziehung erfasst, ist es von der älteren Rechtsprechung als Einkommen der Pflegeperson gewertet worden und deshalb für die Berücksichtigung bei Prozesskostenhilfe i. S. d. § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO herangezogen worden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 13.6.2003, 16 WF 169/02; OLG Nürnberg, Beschluss v. 24.3.2010, 11 WF 329/10). Die neuere Rechtsprechung weicht hiervon indessen ab. Bei der Prüfung der Verfahrenskostenhilfebedürftigkeit nach § 115 ZPO haben gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 bezogene Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen ("Pflegegeld"), die für die Pflege und Erziehung der ersten beiden Kinder gezahlt werden, auch mit dem Erziehungskostenanteil außer Betracht zu bleiben (OLG Hamm, Beschluss v 28.11.2018, 2 WF 109/18; vgl. auch MDR 2019 S. 318).
Das Pflegegeld, das für ein in einer Pflegefamilie untergebrachtes Kind gemäß § 27 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 33 Satz 1, § 39 Abs. 1 gezahlt wird, ist daher auch nicht teilweise als vom Kind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO einzusehendes Einkommen anzusehen (VG Leipzig, Beschluss v. 30.4.2019, 4 K 3/15; zur uneinheitlichen Behandlung von Pflegegeld i. S. v. § 39 bei der PKH vgl. auch Nickel, MDR 2018, 369, 372).
Bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegepflichtversicherung eines Versicherten, der Pflegekinder zur Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 in seinen Haushalt aufgenommen hat, ist der als Teil des sog. Pflegegeldes nach § 39 Abs. 1 gezahlte Pauschalbetrag für materielle Aufwendungen nicht als Einnahme zum Lebensunterhalt der Versicherten zu berücksichtigen. Der als Teil des sog Pflegegeldes nach § 39 Abs. 1 Satz 2 gezahlte Pauschalbetrag für die Kosten der Erziehung hingegen ist bei der Beitragsbemessung ebenso zu berücksichtigen wie das an die Versicherte weitergeleitete Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 SGB XI (SG Dresden, Urteil v. 6.4.2006, S 18 KR 1304/04). Obergerichtlich streitig ist die Frage der Anrechnung des "Erziehungsbeitrages" im Rahmen von § 11 SGB II beim Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende – Arbeitslosengeld II – i. S. d. SGB II. Teilweise (LSG Hamburg, Beschluss v. 16.5.2006, L 5 B 136/05 AS; differenzierter LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 27.3.2006, L 8 AS 2/05, das auf die Höhe des Erziehungsbeitrags abstellt und die Frage aufwirft, ob der Erziehungsbeitrag in der gewährten Höhe die Lage der Pflegeperson so günstig beeinflusst, dass zumindest eine teilweise Berücksichtigung als Einkommen erfolgen muss) wird der Erziehungsbeitrag des Pflegegeldes nach § 39 Abs. 1 Satz 2 behandelt wie Erwerbseinkommen der Pflegepersonen i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II, teilweise (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 30.1.2006, L 8 AS 4627/05 ER-B; Sächs. LSG, Beschluss v. 28.7.2006, L 3 B 107/06 AS-ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 4.10.2006, L 19 B 503/06 AS ER; LS...