Rz. 11
Zum notwendigen Unterhalt zählt der Gesetzgeber mit § 39 Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich auch einen angemessenen Barbetrag (Taschengeld) zur persönlichen Verfügung (vgl. dazu 76. Arbeitstagung v. 4.5. bis 6.5.1994 der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter BAGLJÄ – Mai 1994 (BAGLJÄ 1994) "Empfehlung für die Gewährung und Verwendung des Barbetrag(Taschengeld) gemäß § 39 Abs. 2 KJHG in Einrichtungen, sonstigen betreuten Wohnformen und bei intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung" – abrufbar im Internet unter: http://www.bagljae.de/downloads/062_gewaehrung_verwendung-barbetrag_taschengel.pdf – zuletzt abgerufen am 31.3.2023 und Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, in Nachrichtendienst des Deutschen Vereins NDV 1992 S. 181). Die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessener Barbetrag" ist in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar (v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 39 Rz. 24; Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 06/2021, Werkstand: 2023, § 39 SGB VIII, Rz. 9). Mit dem Taschengeld soll dem Empfänger von Jugendhilfe der Betrag zur eigenverantwortlichen Verwendung zur Verfügung gestellt werden; der Barbetrag dient der Erfüllung individueller Wünsche und stärkt damit die Eigenverantwortung des Hilfeempfängers. Dies hat insbesondere eine pädagogische Funktion und dient der Verselbständigung bzw. dazu, den Umgang mit begrenzt zur Verfügung stehenden Geldmitteln zu erlernen (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 06/2021, Werkstand: 2023, § 39 SGB VIII, Rz. 11; Münder, § 39 SGB VIII, Rz. 12). Der junge Mensch soll lernen, mit finanziellen Mitteln verantwortlich umzugehen (Wiesner, § 39 SGB VIII, Rz. 21). Kürzungen oder Streichung des Barbetrages sind daher unzulässig, soweit sie zur Sanktion einer Verfehlung des jungen Menschen dienen sollen (Münder, § 39 SGB VIII, Rz. 15; i.E. auch Wiesner, § 39 SGB VIII, Rz. 20; Winkler, in: BeckOK, SGB VIII, Stand: 1.12.2022, § 39 Rz. 12). Eine solche Kürzung ist pädagogisch verfehlt und rechtlich unzulässig, da sie gegen die Grundsätze der Jugendhilfe gemäß § 1 verstoßen.
Nach dem Sinn des Barbetrags ist es daher auch unzulässig, das Taschengeld zur Befriedigung von Bedürfnissen, die mit dem Pflegesatz oder Nebenleistungen zum Pflegesatz abzugelten sind, heranzuziehen. Festzusetzen ist der Barbetrag durch eine nach Landesrecht zuständige Behörde i. S. d. § 39 Abs. 2 Satz 3, soweit es sich um Hilfen i. S. v. §§ 34, 35, 35a Abs. 2 Nr. 4 handelt. In allen anderen Fällen der Unterbringung und Pflegestellen nach § 33 bzw. § 35 a Abs. 2 Nr. 3 wird der persönliche Barbetrag nicht gesondert ausgewiesen. Er ist in den nach Abs. 4 bis 6 zu bemessenden pauschalen Unterhaltsbeiträgen enthalten und es bleibt der pädagogischen Verantwortung der Pflegeperson überlassen, dem Pflegekind einen angemessenen Betrag zur Verfügung zu stellen (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 06/2021, Werkstand: 2023, § 39 SGB VIII, Rz. 12).