Rz. 34
§ 39 Abs. 5 Satz 1 sieht vor, dass die Festsetzung der Pauschalbeträge für die laufenden Leistungen zum Unterhalt – die pauschalierten Pflegegelder – durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden erfolgen soll (i. d. R. das Landesjugendamt oder die Landesjugendbehörde). Soweit diese Pauschalbeträge einen Kostenaufwand des notwendigen Unterhalts nicht abdecken, sind die Pauschalbeträge gemäß § 39 Abs. 4 Satz 3 entsprechend zu erhöhen, wenn solche Kosten dem notwendigen Unterhalt i. S. v. § 39 Abs. 1 Satz 1 zuzurechnen sind.
Rz. 35
§ 39 Abs. 5 Satz 2 sieht dabei eine altersbedingte Staffelung des Betrags vor und fordert die Staffelung von "Altersgruppen". Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge (vgl. auch www.deutscher-verein.de, zuletzt abgerufen am 31.3.2023) hat hierzu eine Empfehlung herausgegeben (vgl. NDV 1991 S. 1), die er Jahr für Jahr fortschreibt. Es ist deshalb aktuell auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2022 vom 14.9.2021 abzustellen (abrufbar im Internet: https://www.deutscher-verein.de/de/uploads/empfehlungen-stellungnahmen/2021/dv-13-21_pauschalbeitraege-vollzeitpflege.pdf – zuletzt abgerufen am 31.3.2023). Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge berücksichtigt dabei insbesondere auch die gesetzliche Vorgabe nach Abs. 5 Satz 2 und regelt die Beträge nach Altersgruppen. Es gelten aktuell folgende Beträge:
- Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres erhalten 585,00 EUR für materielle Aufwendungen und 255,00 EUR für Kosten der Erziehung,
- Kinder vom vollendeten 6. bis zum vollendeten 12. Lebensjahr erhalten 692,00 EUR für materielle Aufwendungen und 255,00 EUR für Kosten der Erziehung und
- Jugendliche ab dem vollendeten 12. Lebensjahr bis zum vollendeten 18. Lebensjahr erhalten 787,00 EUR für materielle Aufwendungen und 255,00 EUR für Kosten der Erziehung.
Rz. 36
Soweit jedoch die Besonderheiten des Einzelfalles abweichende Leistungen geboten erscheinen lassen, sind auch über die Pauschalbeträge hinausgehende Leistung zu erbringen (vgl. oben Rz. 18). Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge weist in seiner Empfehlung ausdrücklich darauf hin, dass nach § 39 Abs. 4 Satz 3 HS 2 im Einzelfall eine Anpassung der Leistungen dann erforderlich ist, wenn der Pauschalbetrag nach den Besonderheiten des Einzelfalls für das Pflegekind nicht ausreicht. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Pflegeperson zu den Leistungsempfängern des SGB II zählt und nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Aufteilung der Unterkunfts- und Heizkosten nach Kopfteilen aller im Haushalt lebenden Personen vollzogen wird, obwohl Pflegekinder, die nicht zu den Leistungsempfängern des SGB II zählen, im Haushalt leben.
Rz. 37
Die gemäß § 39 Abs. 5 festgelegten Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt gelten lediglich den in einem jugendhilferechtlichen Durchschnittsfall einer Vollzeitpflege anfallenden Bedarf ab, bei dem Besonderheiten des Einzelfalls i. S. d. § 39 Abs. 4 Satz 3 HS 2 nicht vorliegen. Ein jugendhilferechtlicher "Durchschnittsfall" einer Vollzeitpflege ist dadurch geprägt, dass bei dem Pflegekind ein erzieherischer und pflegerischer Bedarf vorliegt, der über den entsprechenden Bedarf eines im Rahmen der gesellschaftlichen Bandbreite körperlich, geistig und seelisch "normal" entwickelten und sich entwickelnden Kindes nicht wesentlich hinausgeht. Die Gewährung von Jugendhilfe als Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege setzt nämlich nicht voraus, dass bei dem betroffenen Kind eine körperliche, geistige und/oder seelische Entwicklungsstörung oder -verzögerung vorliegt, sondern lediglich, dass der (normale) erzieherische und pflegerische Bedarf des Kindes in seiner Herkunftsfamilie – aus welchen Gründen auch immer – nicht gedeckt werden kann und deshalb eine Entwicklungsgefährdung besteht (VG Hannover, Urteil v. 2.3.2012, 3 A 2714/12).