0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Eine Verpflichtung des Jugendamtes zur Zusammenarbeit mit den freien Trägern sah § 7 JWG vor. Dabei sollte deren Selbständigkeit gewährleistet werden. § 5 Abs. 3 Satz 2 JWG normierte den Vorrang der freien Jugendhilfe, soweit geeignete Einrichtungen und Veranstaltungen durch freie Träger gewährleistet waren. Durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde mit Wirkung zum 10.6.2021 Abs. 3 geändert. Das Erfordernis der Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern wird durch die Änderung ausdrücklich betont. Der aufgehobene Regelungsgehalt zur Selbsthilfe wird in § 4a Abs. 3 aufgegriffen.
1 Allgemeines
Rz. 2
Ebenso wie die übrigen Vorschriften des ersten Kapitels enthält auch § 4 Programmsätze. Die Regelung der Einzelheiten bleibt den nachfolgenden Vorschriften überlassen. § 4 regelt nicht nur die Zusammenarbeit der Träger, sondern normiert in Abs. 2 den Vorrang der freien Träger der Jugendhilfe und in Abs. 3 die Pflicht der öffentlichen Jugendhilfe zur Förderung der freien Jugendhilfe. Die Vorschrift entspricht der für den Bereich der Sozialhilfe geltenden Regelung des § 5 SGB XII.
2 Rechtspraxis
2.1 Zusammenarbeit der öffentlichen mit der freien Jugendhilfe
2.1.1 Gesetzgeberische Zielsetzung
Rz. 3
Die Vorschrift soll eine sinnvolle, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zweckmäßige Zusammenarbeit öffentlicher und privater Jugendhilfe gewährleisten. Damit soll ein plurales Angebot geschaffen und so das in § 5 normierte Wunsch- und Wahlrecht verwirklicht werden. Damit werden zugleich verfassungsrechtliche Anforderungen in der durch das BVerfG gegebenen Interpretation (BVerfG, Urteil v. 18.7.167, 2 BvF 3/62 u. a.) umgesetzt. Die Vorschrift kennzeichnet damit als Grundnorm das Verhältnis zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe. Die Pflicht zur Zusammenarbeit erfasst alle Träger, Körperschaften und Gruppierungen, die Aufgaben der öffentlichen und der freien Jugendhilfe wahrnehmen.
2.1.2 Begriff der partnerschaftlichen Zusammenarbeit
Rz. 4
Die Vorschrift enthält keine Begriffsdefinition. Der Begriff lässt sich rechtlich kaum näher qualifizieren. Aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs werden mit partnerschaftlichem Verhalten Begriffe wie etwa Offenheit, gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen in Verbindung gebracht. Rechtlich verbindlich und justiziabel ist der Programmsatz des Abs. 1 Satz 1 für die öffentlichen wie für die freien Träger grundsätzlich nicht. Aus partnerschaftlichem Zusammenwirken kann sich allerdings eine Selbstverpflichtung ergeben. Dies setzt jedoch voraus, dass die Partner sich in Bezug auf konkrete Regelungsgegenstände durch vertragliche Vereinbarung gebunden haben. Die Vorschriften der §§ 53ff. SGB X zum öffentlich-rechtlichen Vertrag bieten hierfür ein Instrumentarium. Allenfalls dann, wenn ein hinreichend präzises Angebot eines freien Trägers von dem öffentlichen Träger schlicht ignoriert wird, können sich daraus justiziable Rechte des freien Trägers ergeben (vgl. dazu OVG Münster, Urteil v. 3.12.2001, 12 A 853/00; OVG Lüneburg, Urteil v. 12.1.1999, 4 M 1528/98).
2.1.3 Formen der Zusammenarbeit
Rz. 5
Verschiedene Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe sind in einzelnen Vorschriften des SGB VIII ausdrücklich vorgesehen. Grundlegend ist die in § 71 normierte Zusammenarbeit im Jugendhilfeausschuss und im Landesjugendhilfeausschuss. Diese Gremien befassen sich mit allen Angelegenheiten der Jugendhilfe in Bezug auf die Erörterung bestimmter Problemlagen, die Jugendhilfeplanung und die Förderung der freien Jugendhilfe; sie haben innerhalb bestimmter Grenzen ein Beschlussrecht. In Bezug auf bestimmte zu fördernde Maßnahmen sollen gemäß § 78 die Träger der öffentlichen und der freien Jugendhilfe in Arbeitsgemeinschaften zusammenarbeiten. Als weitere Formen der Zusammenarbeit sind in § 76 die Beteiligung anerkannter Träger der freien Jugendhilfe an der Wahrnehmung der in § 42f., §§ 50 bis 52a und § 53 Abs. 2 bis 4 genannten "anderen Aufgaben", die Übertragung solcher Aufgaben zur Ausführung und in § 77 Kostenvereinbarungen vorgesehen. §§ 78a bis 78g erlauben Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung. Die sehr offen formulierten Vorschriften über die Leistungen der Jugendhilfe im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels (§§ 11 bis 15) machen deutlich, dass das Gesetz über die gesetzlich geregelten Formen und Tatbestände der Zusammenarbeit hinaus weitere gesetzlich nicht konkretisierte Formen und Felder der Zusammenarbeit voraussetzt. Sie können deshalb gesetzlich nicht näher konkretisiert werden, weil sich ihr Inhalt und Umfang aus der jeweiligen konkreten Situation ergibt. Abstrakt lässt sich lediglich sagen, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei allen Maßnahmen, die sich auf das Verhältnis zur freien Jugendhilfe auswirken können, die freien Träger zu beteiligen hat (Papenheim, in: LPK-SGB VIII, § 4 Rz. 7).
2.1.4 Anspruch auf Zusammenarbeit
Rz. 6
Schon aus dem Begriff der partnerschaftlichen Zusammenarbeit folgt, dass sich aus der Grundnorm des § 4 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich kein durchsetzbarer Anspruch auf Zusammenarbeit in bestimmter Art und Weise ...