0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 56 gilt seit dem 1.9.2009 i. d. F. des Art. 105 Nr. 4 des FGG-RG v. 17.12.2008 in der seit dem 1.1.2012 gültigen Fassung des SGB VIII (BGBl. I S. 2022). Durch das FGG-RG wurde das SGB VIII an die neuen verfahrensrechtlichen Regelungen des FamFG angepasst. Die Bestimmung ist in ihrer jetzigen Gestalt auf die ursprüngliche Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, § 55 (BT-Drs. 11/5948 S. 91 zu § 55 [jetzt § 56]; BT-Drs. 11/6748 S. 30 zu § 55 [jetzt § 56]) zurückzuführen. Sie ersetzt und modifiziert die §§ 38 und 39 JWG. Im Rahmen des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) hat der Gesetzgeber durch eine Neufassung des Abs. 2 Satz 1 und 2 klargestellt, dass er die Anwendbarkeit des § 1811 BGB für das Jugendamt als Amtsvormund/-pfleger nicht ausschließe, sondern die Absicht habe, das Jugendamt von der in § 1811 BGB vorgesehenen Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zu befreien. § 56 Abs. 3 ist dahingehend ergänzt worden, als Landesrecht bestimmen kann, dass eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zur Bereithaltung sowie Anlage von Mündelgeld auf Sammelkonten des Jugendamtes nicht erforderlich ist. Durch das Beistandschaftsgesetz v. 4.12.1997 (BGBl. I S. 2846) wurde § 56 um die Beistandschaft entsprechend ergänzt. Durch Art. 12 Nr. 4 des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 4.5.2021 (BGBl. I S. 882) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 1.1.2023 neu gefasst.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift ergänzt die Regelungen des § 55. Abs. 1 verweist hinsichtlich der Führung der Beistandschaft, der Pflegschaft und der Vormundschaft unmittelbar auf die Bestimmungen des BGB, soweit das SGB VIII nichts anderes bestimmt. Abs. 2 Satz 1 und 2 passt im Wesentlichen die Verweise als bloße Folgeänderungen den Neuerungen durch die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts im BGB an. Nachdem § 1837 Abs. 2 BGB, der den bisherigen § 1803 Abs. 2 BGB übernimmt, keine Genehmigungsbedürftigkeit mehr vorsieht, wurde auch die Befreiung des Jugendamts entsprechend gestrichen. Abs. 2 Satz 3 verweist zur Klarstellung für landesrechtlichen Ausnahmen für das Jugendamt als Pfleger oder Vormund nunmehr auf die §§ 1802 Abs. 2, 1862 Abs. 4 BGB. Der bisherige Abs. 2 Satz 3 wird in § 1862 Abs. 4 BGB auch für die Betreuungsbehörde übernommen. Für das Jugendamt findet diese Vorschrift über § 1802 Abs. 2 BGB entsprechende Anwendung.
Abs. 3 regelt das Bereithalten und die Anlage von Mündelgeld. Der bisherige Abs. 4 ist mit Wirkung zum 1.1.2023 weggefallen. Die Regelung zur jährlichen Prüfung und Mitteilung an das Jugendamt, ob eine ehrenamtliche Vormundschaft anstelle der Vormundschaft des Jugendamtes angezeigt ist, enthält ab 1.1.2023 § 57 Abs. 4 Satz 1.
2 Rechtspraxis
2.1 Anwendung der Bestimmungen des BGB
Rz. 3
Abs. 1 verweist für die Führung der Beistandschaft, der Vormundschaft und der Pflegschaft durch das Jugendamt als Generalverweisung unmittelbar auf die Bestimmungen des BGB, sofern das SGB VIII, hier insbesondere die Abs. 2 bis 4, nichts anderes bestimmt. Für die Beistandschaft sind im SGB VIII einschließlich der Abs. 2 bis 4, keine Sonderregelungen geschaffen worden, da sie bereits in § 1712 Abs. 1 BGB als eine konkret auf das Jugendamt ausgerichtete Beistandschaft geregelt ist. Beistandschaft, Pflegschaft und Vormundschaft des Jugendamts gehören gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 11 zu den anderen Aufgaben der Jugendhilfe (vgl. die Komm. zu § 2 Rz. 11). Das Jugendamt handelt im Verhältnis zum Mündel (Kind oder Jugendlicher) hoheitlich (vgl. VG Sigmaringen, Beschluss v. 21.5.2001, 4 K 607/01). Soweit das Jugendamt als Pfleger oder Vormund oder im Rahmen einer Beistandschaft im Außenverhältnis in Sorgerechtsangelegenheiten oder umgangsrechtlichen Angelegenheiten gegenüber Dritten auftritt oder das Kind vertritt, handelt es aufgrund kindschaftsrechtlicher Regelungen, also zivilrechtlich. Bei Schadensersatzansprüchen gegen das Jugendamt kommen Ansprüche aus Amtshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht, soweit eine Amtspflichtverletzung gegenüber dem Dritten festgestellt werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 2.4.1984, III ZR 149/85; Urteil v. 17.6.1999, III ZR 248/98).
2.2 Weitere Befreiungsregelungen bei Amtsvormundschaft/-pflegschaft; Landesrechtsvorbehalt
Rz. 4
Befreiungen sowohl für das Jugendamt als auch für Vormundschaftsvereine und Vereinsvormünder enthalten die §§ 1801 Abs. 1, 1859 Abs. 1 BGB. Abs. 2 regelt weitere Befreiungen. Gemäß § 1835 Abs. 5 BGB i. V. m. § 1798 Abs. 2 BGB hat das Jugendamt nicht die Befugnis, dann, wenn es das eingerichtete Vermögensverzeichnis für ungenügend hält, anzuordnen, dass das Vermögensverzeichnis durch die zuständige Betreuungsbehörde oder einen Notar aufgenommen wird. Gemäß § 1844 BGB i. V. m. § 1798 Abs. 2 BGB kann das Betreuungsgericht nicht anordnen, dass der Betreuer Wertgegenstände des Betreuten bei einer Hinterlegungsstelle oder einer anderen geeigneten Stelle zu hinterlegen hat. Gemäß Abs. 2 Satz 2 ist eine Genehmigung des Familiengerichts nicht erforderlich, wenn das Jugendamt als Pfleger oder Vormund Anlagegeld anders als auf einem Anlagekonto gemäß § 1841 Abs. 2 anlegt. Gemäß § 1848 BGB i. V...