Rz. 11
Rechtsmissbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zum Zwecke der Erlangung eines ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels sind vom Gesetzgeber inzwischen als Problem erkannt worden. Zunächst einmal sind auch rechtsmissbräuchliche Anerkennungen gleichwohl wirksam. Die frühere Regelung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung hat das BVerfG für verfassungswidrig und nichtig erklärt, weil die damaligen Regelungen zum Entzug der Staatsangehörigkeit in Missbrauchsfällen nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen (Beschluss v. 17.12.2013, 1 BvL 6/10). Angesichts eines tatsächlich bestehenden erheblichen Missbrauchs der bisherigen Regelung innerhalb offenkundig organisierter Strukturen hat der Gesetzgeber mit dem am 21.7.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht v. 20.7.2017 (BGBl. I S. 2780) ein in § 1597a BGB und § 85a AufenthG geregeltes zweistufiges Verwaltungsverfahren eingeführt. § 1597a Abs. 1 BGB enthält die gesetzliche Definition der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft. Danach darf die Vaterschaft nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt werden, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter zu schaffen – auch nicht, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu schaffen. Gemäß § 1597a Abs. 2 BGB hat die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft der nach § 85a AufenthG zuständigen Behörde nach Anhörung des Anerkennenden und der Mutter mitzuteilen und die Beurkundung auszusetzen.
Rz. 12
Anzeichen für das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte werden in § 1597a Abs. 2 Satz Nr. 1 bis 5 BGB als Regelbeispiele aufgelistet. Es sind insbesondere:
- das Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht des Anerkennenden oder der Mutter oder des Kindes,
- wenn der Anerkennende oder die Mutter oder das Kind einen Asylantrag gestellt hat und die Staatsangehörigkeit eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a AsylG besitzt,
- das Fehlen von persönlichen Beziehungen zwischen dem Anerkennenden und der Mutter oder dem Kind,
- der Verdacht, dass der Anerkennende bereits mehrfach die Vaterschaft von Kindern verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat und jeweils die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder der Mutter durch die Anerkennung geschaffen hat, auch wenn das Kind durch die Anerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, oder
- der Verdacht, dass dem Anerkennenden oder der Mutter ein Vermögensvorteil für die Anerkennung der Vaterschaft oder die Zustimmung hierzu gewährt oder versprochen worden ist.
Weitere Verdachtsanzeichen können etwa die Anerkennung nach Ablauf eines langen Zeitraums nach der Geburt des Kindes oder einschlägige Vorstrafen eines Beteiligten, etwa nach §§ 153 ff., 263, 267 StGB, § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, sein (Balzer, in: BeckOGK, BGB, § 1597a Rz. 77 f.). Die fehlende biologische Abstammung stellt keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer missbräuchlichen, aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung dar (Wiesner/Wapler/Dürbeck, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 59 Rz. 26a m. w. N.).
Rz. 13
Diese Kriterien knüpfen an die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss v. 17.12.2013, 1 BvL 6/10) an. Sie sollen eine Beweiserleichterung darstellen. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Weitere Verdachtsanzeichen können etwa die Anerkennung nach Ablauf eines langen Zeitraums nach der Geburt des Kindes oder einschlägige Vorstrafen eines Beteiligten, etwa nach §§ 153 ff., 263, 267 StGB, § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, sein (Balzer, in: BeckOGK, BGB, § 1597a Rz. 77f.). Wenn der Anerkennende der leibliche Vater des anzuerkennenden Kindes ist, kann die Anerkennung nicht missbräuchlich sein (§ 1597a Abs. 5 BGB). Die fehlende biologische Abstammung stellt keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer missbräuchlichen, aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung dar (Wiesner/Wapler/Dürbeck, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 59 Rz. 26a). Konkrete Anhaltspunkte implizieren eine auf objektiven Umständen beruhende gewisse Wahrscheinlichkeit. Gleichwohl handelt es sich lediglich um eine Vermutung. Vor der Mitteilung an die zuständige Behörde hat die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson die Beteiligten, also den Mann, der die Beurkundung seiner Vaterschaftsanerkennung beantragt hat, und die Mutter des Kindes zu den festgestellten Anhaltspunkten für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung anzuhören. Liegen konkrete tatsächliche Verdachtsgründe vor, muss den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden, diese auszuräumen; die Beteiligten trifft insoweit die Darlegungslast (Winkler, Beurkundungsgesetz, 17. Aufl. 2013, § 4 Rz. 29). Die Betroffenen sollen darau...