Rz. 11
Der Ausländer muss seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Darunter ist vor allem der Ort zu verstehen, an dem der Betreffende seinen Lebens- und Daseinsmittelpunkt hat (BGH, Beschluss v. 29.10.1980, IVb ZB 586/80). Dies ist auch der Ort, an dem er den Schwerpunkt seiner Bindungen hat. Die Umstände müssen dies erkennen lassen. Dies beinhaltet sowohl objektiv bestehende Tatsachen als auch voluntative Elemente. Zumindest ein natürlicher Wille zur Aufenthaltsbegründung muss vorhanden sein. Dieser Wille muss in die Tat umgesetzt worden sein, d. h. es muss anhand objektiv feststellbarer Tatsachen erkennbar sein, dass der Betreffende an diesem Ort seinen Daseinsmittelpunkt haben will. Auf die formelle Begründung eines Wohnsitzes oder die polizeiliche Meldung kommt es nicht an, sie haben allenfalls Indizwirkung. Nicht nur vorübergehend ist der Aufenthalt, wenn er "zukunftsoffen" ist. I.d.R. ist dies dann der Fall, wenn der Aufenthalt unbefristet ist. Aber auch ein befristeter Aufenthalt – etwa aufgrund einer befristeten Aufenthaltserlaubnis – kann zukunftsoffen sein. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände an (BSG, Urteil v. 9.5.1995, 8 RKn 2/94). Wichtige Indizwirkung hat der Zweck, der zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis geführt hat. Ist er vorübergehender Natur (z. B. Schulbesuch, Studium, Sprachkurs), so ist der Aufenthalt wohl nur vorübergehend (BSG, Urteil v. 25.6.1987, 11a REg 1/87 in Bezug auf Asylbewerber).
Rz. 11a
Allerdings können ein Asylbewerber und dessen Kinder, die längerfristig oder gar auf unabsehbare Zeit geduldet werden (nach neuer Diktion des § 60a AufenthG: deren Abschiebung vorübergehend ausgesetzt wurde), einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Der Gesetzgeber wollte diese Personengruppe ausdrücklich in § 6 Abs. 2 einbeziehen und hat deshalb den Begriff der Duldung in das Gesetz geschrieben. Dies gilt unter den nachfolgend genannten Voraussetzungen auch für Asylbewerber, deren Asylantrag bestandskräftig abgelehnt wurde. Ein Ausländer kann seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d. § 86 Abs. 1 Satz 1 im Bundesgebiet haben und beibehalten, wenn nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die Ausländerbehörden davon auszugehen ist, dass er nicht nur vorübergehend, sondern auf nicht absehbare Zeit im Bundesgebiet verbleiben wird. Abzustellen ist dabei auf eine in die Zukunft gerichtete Prognose unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse. Gerade bei Asylbewerbern, die abgelehnt wurden und nur noch geduldet werden, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie trotz der endgültigen Ablehnung des Asylantrags bis auf Weiteres nicht mit einer Abschiebung rechnen müssen und in der BRD verbleiben können (BVerwG, Urteil v. 2.4.2009, 5 C 2/08).