Rz. 5
Nach Abs. 1 dürfen Sozialdaten zu dem Zweck übermittelt oder genutzt werden, zu dem sie erhoben worden sind. Bei Übereinstimmung von Erhebungs- und Weiterverwendungszweck entfällt im Hinblick auf die Datenübermittlung und -nutzung damit eine eigenständige Zulässigkeitsprüfung. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Datenerhebung zweckorientiert (mit dem Ziel der weiteren Verwendung) erfolgt und ihre Zulässigkeit ohnehin schon nach den Kriterien des § 62 beurteilt wird, auch folgerichtig. Aus Abs. 1 folgt dementsprechend, dass im Falle einer Zweckänderung eine besondere Befugnis zur Nutzung vorliegt, entweder durch eine erneute Einwilligung oder eine gesetzliche Ermächtigung.
Rz. 6
Abs. 1 entspricht vom Regelungszweck den allgemein datenschutzrechtlichen Vorschriften im SGB X; hier § 69 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB X. Die spezielle jugendhilferechtliche Datenschutzregelung des § 64 Abs. 1 geht insoweit als lex spezialis der Vorschrift des § 69 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB X vor (a. A. Salgo/Kepert, ZKJ 2020 S. 414, 416 m.w.N, der Abs. 1 keine eigenständige Bedeutung zukommen lassen will; letztlich hat diese Frage aber keine praktische Relevanz, da entweder allein auf § 64 Abs. 1 oder allein auf § 69 Abs. 1 SGB X oder auf § 69 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 64 Abs. 1 abzustellen ist, was zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen führt. Soweit § 69 SGB X über den Anwendungsbereich des § 64 Abs. 1 hinausgeht, sind ohnehin dessen Regelungen maßgeblich).
Rz. 7
Die notwendige Voraussetzung für die Anwendung der Regelung über die Übermittlungsbefugnis nach Abs. 1 – ggf. i. V. m. § 69 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB X – ist die Datenerhebung, wie sie in § 62 Abs. 1 vorausgesetzt ist (vgl. auch die Komm. zu § 62). Datenerhebung ist das aktive Beschaffen von Daten; Abs. 1 scheidet daher dann aus, wenn dem Jugendamt Daten unaufgefordert mitgeteilt worden sind; es liegt dann keine Datenerhebung vor (zutreffend: Salgo/Kepert, ZKJ 2020 S. 414, 416).
Rz. 8
Weiterhin ist zu ermitteln, zu welchem Zweck die jeweiligen Daten erhoben worden sind. Sodann muss geprüft werden, ob die Daten zu diesem Zweck übermittelt werden sollen, also ein identischer Zweck mit der Übermittlung verfolgt wird (Salgo/Kepert, ZKJ 2020 S. 414, 416). Hierbei ist Art. 5 Abs. 1 Buchst. b Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) heranzuziehen, der bestimmt, dass personenbezogene Daten für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden dürfen (auf die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b Verordnung (EU) 2016/679 verweist auch Kunkel, ZKJ 2018 S. 355, 357).
Rz. 9
Es gilt dabei ein enges Verständnis von Zweckbestimmung (zutreffend Salgo/Kepert, ZKJ 2020 S. 414, 416); die enge und konkrete Zweckbindung ist vom BVerfG vorgegeben (BVerfG, Urteil v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a., Rz. 197; so auch Salgo/Kepert, ZKJ 2020 S. 414, 416). Daher muss die Datenerhebung mit dem Zweck der Übermittlung identisch sein. Dies wird angenommen, wenn das Jugendamt Daten gerade zu dem Zweck der späteren Übermittlung erhebt. So ist z. B. die Übermittlung für die Aufgaben nach § 50 und § 52 erhobener Daten an das Familiengericht oder das Jugendstrafgericht gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB X i. V. m. § 64 Abs. 1 zulässig (Salgo/Kepert, ZKJ 2020 S. 414, 416). So scheidet aber z. B. eine Zweckindentität i. S. d. § 64 Abs. 1 aus, wenn Daten, welche für die Sachverhaltsaufklärung gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 und 2 erhoben worden sind, später gemäß § 8a Abs. 3 Satz 2 an die Polizei übermittelt werden sollen (Beispiele bei Salgo/Kepert, ZKJ 2020 S. 414, 416; zutreffend ablehnend).