Rz. 9
Die Vorschrift ist dann einschlägig, wenn es sich um Sozialdaten handelt, die zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfen anvertraut worden sind. Damit werden nur solche Daten erfasst, die im Kontext der Leistungsgewährung anfallen, nicht solche, die im Rahmen "anderer Aufgaben" beschafft worden sind (so auch Rombach, in: Hauck/Noftz, SGB, 01/2020, Werkstand: 2023, § 65 SGB VIII, Rz. 4). Nach anderer Auffassung begrenzen sich die Weitergabeschranken nicht auf den Leistungsbereich, da oftmals ein untrennbarer Zusammenhang von Leistungen und "anderen Aufgaben" bestehe. Für die Einschlägigkeit der Vorschrift bezüglich anderer Aufgaben i. S. d. § 2 Abs. 2 finden sich in der Norm keine hinreichenden Anhaltspunkte. Vertretbar erscheint jedoch, die Einschlägigkeit (neben der im Kontext der §§ 27 bis 41 anfallenden Daten) für die Daten, die im Zusammenhang mit §§ 11 bis 26 anfallen, zu bejahen (Rombach, a. a. O.).
Rz. 10
Aus dem Gesetzeswortlaut und dem Schutzzweck des § 65 folgt, dass es für seine Anwendbarkeit genügt, wenn es um Daten geht, die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut werden, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann. Dass eine solche Zweckgeeignetheit reicht, folgt aus dem Wortlaut des § 65 Abs. 1: "Sozialdaten, die ... zum Zweck persönlicher oder erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind ..." (VG Bremen, Beschluss v. 28.4. 2021, 4 V 72/21 Rz. 19).
Rz. 11
Anvertraut sind Daten i. S. d. Vorschrift nicht nur dann, wenn sie ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Verschwiegenheit preisgegeben werden. Es genügt vielmehr, wenn der Mitarbeiter zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfen Einblick in persönliche Verhältnisse erhält, die ihm der Betroffene verwehrte, wenn er mit der Weitergabe rechnete. Im Sinne eines umfassenden Schutzes des Betroffenen und im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Vertrauensverhältnisses ist der Begriff des "Anvertrauens" demgemäß weit zu interpretieren. Enger versteht es hingegen ein Teil der Rechtsprechung (OVG Lüneburg, Beschluss v. 28.11.2023, 11 LC 273/21): "Anvertraut" i. S. d. § 65 Abs. 1 sind danach nur die Daten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der Jugendhilfe zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe in einem bewussten "Akt des Anvertrauens" mitgeteilt worden sind oder die dem Mitarbeiter in einem sensiblen Lebensbereich in Erwartung einer Vertraulichkeit bekannt werden.
Rz. 12
Abzugrenzen ist der Begriff anvertraut von der Sozialdatenerhebung. Die Datenerhebung, wie sie für die Anwendbarkeit des § 64 in § 62 Abs. 1 vorausgesetzt ist (vgl. Komm. zu § 62 und zu § 64), ist das aktive Beschaffen von Daten; Abs. 1 scheidet daher dann aus, wenn dem Jugendamt Daten unaufgefordert mitgeteilt worden sind; es liegt dann keine Datenerhebung vor (zutreffend Salgo/Kepert, ZKJ 2020, 414, 416). Für die Definition des Begriffs Datenerhebung kann insoweit noch auf die Regelung in § 67 Abs. 5 SGB X i. d. F. des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften v. 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749) gültig bis 24.5.2018 zurückgegriffen werden (vgl. insoweit auch die Komm. zu § 62).
Rz. 12a
Einzelfälle anvertrauter Daten: Benennt eine minderjährige Mutter im Rahmen der Hilfeplanung einen Mann als Vater ihres Kindes, unterliegt dieses Datum dem besonderen Vertrauensschutz des § 65 Abs. 1 Satz 1 – und dies auch gegenüber dem möglichen Vater und dem Vormund des Kindes. Die Information des möglichen Vaters setzt nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 die Einwilligung der minderjährigen Mutter voraus, denn das Unterlassen der Betreibung der Vaterschaftsfeststellung ist nicht als eine Gefährdung des Kindeswohls i. S. d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 anzusehen (DIJuF-Rechtsgutachten v. 24.1.2022, SN_2021_1603 Ho, JAmt 2022, 324).