Rz. 5

Neben der oben unter Rz. 3 f. dargelegten Zuständigkeit des Bundes für die Abstimmung von Angelegenheiten der Jugendhilfe und der Politiken mit Bezügen zur Jugendhilfe im internationalen Bereich ist darüber hinaus zu beachten, dass die Normen des Europarechts in vielfältiger Weise auf die nationalen Rechtsbestimmungen sowohl des Bundes- als auch des Landesrechts einwirken. Nach Art. 10 EGV sind die Mitgliedstaaten zum einen verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen zu treffen, die sich aus dem EGV oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie haben zum anderen im Gegenzug alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des EGV gefährden könnten. Die Umsetzung dieser europarechtlichen Verpflichtungen im föderalen Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland stellt Art. 23 GG sicher (näher am Beispiel der Landesplanung im SGB XI v. Renesse, VSSR 2001 S. 359, 374).

 

Rz. 6

Die Gesamtverantwortung (§ 79) und die Planungsverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (§ 80) sowie die Aufgabe der Länder (§ 82 Abs. 2), auf einen gleichmäßigen Ausbau der Einrichtungen und Angebote hinzuwirken, berühren insbesondere Fragen der unmittelbaren oder analogen Anwendung der Vergabevorschriften (u. a. bei der Auswahl des Trägers) sowie des Wettbewerbsrechts (bei der Förderung). Dabei sind zwei Verfahrensschritte zu unterscheiden:

 

Rz. 7

  • die Jugendhilfeplanung als solche, die Feststellung des Bestandes an Einrichtungen und Diensten, die Bedarfsermittlung und die Planung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) ist eine hoheitliche Aufgabe des kommunalen Trägers, die nur dann den Regelungen des freien Dienstleistungsverkehrs und dem europäischen Vergaberecht – umgesetzt in deutsches Recht über §§ 97 bis 101 GWB – unterliegen kann, soweit einzelne Planungsschritte als Dienstleistungs- oder Werkverträge an Dritte vergeben und die Schwellenwerte der Verordnung nach § 127 Abs. 1 Nr. 1 GWB überschritten werden;
 

Rz. 8

  • die (Vor-) Entscheidung im Rahmen der § 74, § 77, §§ 78a ff. darüber, welcher Anbieter den nach § 80 ermittelten Bedarf innerhalb eines bestimmten Raumes (z. B. Sozialraum) konkret erfüllen soll, unterliegt i.E. den Wertungen des Vergaberechts und des Beihilferechts, weil sich der öffentliche Träger mit der Definition und Bewertung seines ggf. eigenen oder des Angebotes Dritter in Konkurrenz zu weiteren Wettbewerbern begibt (Kingreen, SGb 2004 S. 659; Münder/von Boetticher, ZESAR 2004 S. 15, 19; vgl. auch die Komm. zu § 74, § 77, §§ 78a ff.). Die Voraussetzungen vergaberechtlich unbedenklicher sog. "In-House-Geschäfte" (hierzu zuletzt EuGH, Urteil v. 11.1.2005, C-26/03) liegen wegen des durch §§ 78a f. geöffneten Marktes regelmäßig nicht vor. Die Verpflichtung zur Wahrung von Transparenz, Verfahrensfairness und Diskriminierungsfreiheit ergibt sich zudem (neben Art. 3 und Art. 12 GG) auf der Ebene des Bundesrechts aus der Grundentscheidung des SGB VIII, eine Vielfalt von Trägern, Inhalten, Methoden und Arbeitsformen zuzulassen (§ 3 Abs. 1) und sich zur Umsetzung der Aufgaben sowohl den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe als auch Trägern der freien Jugendhilfe zu bedienen (§ 3 Abs. 2 Satz 1, vgl. OVG Hamburg, Beschluss v. 10.11.2004, 4 Bs 388/04; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 18.3.2005, 12 B 1931/04; vgl. auch – zum SGB XI – BVerwG, Urteil v. 13.52004, 3 C 45/03).

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