0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 83 nimmt die Regelungen von § 25 Abs. 1 und § 26 JWG auf. Mit Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz – KJVVG) v. 29.8.2013 (BGBl. I S. 3464) wurde in Abs. 1 mit Wirkung zum 1.1.2014 die Aufgabenzuweisung an den Bund präzisiert bzw. dahingehend erweitert, dass auch die überregionalen Tätigkeiten der Jugendorganisationen der politischen Parteien auf dem Gebiet der Jugendarbeit durch die zuständige oberste Bundesbehörde eine Förderung erfahren können. Mit dieser Ergänzung reagiert der Bundesgesetzgeber auf die nach Auffassung der Rechtsprechung bisher fehlende Förderzuständigkeit (so OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.3.2012, OVG 6 B 19.11).
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 83 Abs. 1 entspricht hinsichtlich der Aufgabenzuweisung an die zuständige oberste Bundesbehörde im Wesentlichen der Aufgabenzuweisung des § 82 Abs. 1 an die oberste Landesjugendbehörde. Ebenso wie § 82 Abs. 1 verleiht sie den in der Jugendhilfe Tätigen keine einklagbaren Ansprüche auf konkrete Maßnahmen. Welche oberste Bundesbehörde für Angelegenheiten der Jugendhilfe zuständig ist, regelt das Gesetz nicht. Dies bestimmt sich nach dem Organisationserlass des Bundeskanzlers zur Geschäftsverteilung innerhalb der Bundesregierung.
2 Rechtspraxis
2.1 Aufgaben des Bundes
Rz. 3
Wie die obersten Landesbehörden für ihren Zuständigkeitsbereich so soll auch die zuständige oberste Bundesbehörde die Tätigkeit der Jugendhilfe anregen und fördern. Die oberste Bundesbehörde erfüllt die Verpflichtung des Abs. 1 in der Regel durch
- die Umsetzung des Gesetzgebungsauftrages nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG,
- den Erlass von Verwaltungsvorschriften (z. B. für das Bundesjugendkuratorium),
- die Herausgabe von Richtlinien und Empfehlungen zu Angelegenheiten der Jugendhilfe,
- Evaluation auf dem Gebiet der Jugendhilfe,
- die Ausreichung von Fördermitteln im Rahmen des jährlichen Haushaltsgesetzes,
- die Führung und Auswertung der Kinder- und Jugendhilfestatistik als Bundesstatistik gemäß § 98.
Rz. 4
Eine Wahrnehmung dieser Aufgabe durch den Bund ist jedoch nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nur zulässig, soweit die Tätigkeit oder die Maßnahmen von überregionaler Bedeutung sind oder eine Förderung der Jugendhilfe durch ein Land allein nicht wirksam erfolgen kann. Die Notwendigkeit der überregionalen Bedeutung und der fehlenden wirksamen Fördermöglichkeit durch ein Land allein gelten auch für die Tätigkeiten der Jugendorganisationen der politischen Parteien. Die Förderung der Tätigkeit von Jugendorganisationen von Parteien, die nur regional oder innerhalb eines Landes agieren, durch den Bund ist nicht zulässig, weil es hierfür an der Kompetenz des Bundes fehlt (so ausdrücklich BVerfGE 22 S. 180, 217). Zu den Aufgaben des Bundes gehört auch die Abstimmung von Angelegenheiten der Jugendhilfe und der Politiken mit Bezügen zur Jugendhilfe im internationalen Bereich. In diesem Zusammenhang ist u. a. der Auftrag der EU zu nennen, die Aufnahme einer beruflichen Bildung sowie Förderung der Mobilität der Ausbilder und der in beruflicher Bildung befindlichen Personen, insbesondere der Jugendlichen zu erleichtern (Art. 150 Abs. 2 3. Spiegelstrich EGV).
2.2 Exkurs: Einfluss des Europarechts auf die Aufgaben des Bundes und der Länder
2.2.1 Auswirkungen der Gesamt- und der Planungsverantwortung auf das europäische Vergabe- und Wettbewerbsrecht
Rz. 5
Neben der oben unter Rz. 3 f. dargelegten Zuständigkeit des Bundes für die Abstimmung von Angelegenheiten der Jugendhilfe und der Politiken mit Bezügen zur Jugendhilfe im internationalen Bereich ist darüber hinaus zu beachten, dass die Normen des Europarechts in vielfältiger Weise auf die nationalen Rechtsbestimmungen sowohl des Bundes- als auch des Landesrechts einwirken. Nach Art. 10 EGV sind die Mitgliedstaaten zum einen verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen zu treffen, die sich aus dem EGV oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie haben zum anderen im Gegenzug alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des EGV gefährden könnten. Die Umsetzung dieser europarechtlichen Verpflichtungen im föderalen Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland stellt Art. 23 GG sicher (näher am Beispiel der Landesplanung im SGB XI v. Renesse, VSSR 2001 S. 359, 374).
Rz. 6
Die Gesamtverantwortung (§ 79) und die Planungsverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (§ 80) sowie die Aufgabe der Länder (§ 82 Abs. 2), auf einen gleichmäßigen Ausbau der Einrichtungen und Angebote hinzuwirken, berühren insbesondere Fragen der unmittelbaren oder analogen Anwendung der Vergabevorschriften (u. a. bei der Auswahl des Trägers) sowie des Wettbewerbsrechts (bei der Förderung). Dabei sind zwei Verfahrensschritte zu unterscheiden:
Rz. 7
- die Jugendhilfeplanung als solche, die Feststellung des Bestandes an Einrichtungen und Diensten, die Bedarfsermittlung und die Planung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) ist eine hoheitliche Aufgabe des kommunalen Trägers, die nur dann den Regelungen des freien Dienstleistungsverkehrs und dem europäischen Vergaberecht – umgesetzt in deutsches Recht über §§ 97 bis 101 GWB – unterliege...