Rz. 3
Sofern ein Kind oder Jugendlicher um Obhut bittet, ist der örtliche Träger – in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Maßnahmenbeginn tatsächlich aufhält – zur Erfüllung der Inobhutnahme i. S. d. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 berechtigt, zugleich aber auch verpflichtet. Gleiches gilt, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und die Personensorgeberechtigten dieser Inobhutnahme nicht widersprechen (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a), eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b) oder ein ausländisches Kind bzw. ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder der Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3). Zum Begriff des "tatsächlichen Aufenthalts" siehe Erläuterungen zu § 6. Im Falle des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist der Ort entscheidend, an dem die dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zutage tritt und die entsprechende Inobhutnahme, ggf. auch durch Wegnahme des Kindes oder Jugendlichen von einer anderen Person, erforderlich macht.
Nimmt ein anderes als das nach § 87 örtlich zuständige Jugendamt ein Kind oder einen Jugendlichen in Obhut, beispielsweise im Wege einer zwischen den beteiligten Jugendämtern stillschweigend getroffenen Vereinbarung, um sich ggf. in Relation zur Durchführung des faktischen Inobhutnahmeakts ein mitunter daran anschließendes aufwändigeres Kostenerstattungsverfahren i. S. d. § 89b Abs. 1 zu ersparen, so wäre diese Maßnahme rechtswidrig. Dies ist unter Umständen in solchen Fällen denkbar, in denen sich das Kind oder der Jugendliche tatsächlich in einem nah angrenzenden Jugendamtsbezirk aufhält, die Personensorgeberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt jedoch im Bereich des (unzuständigerweise) tätig gewordenen Jugendamts begründen und dieses Jugendamt im Zuge der Kostenerstattung nach § 89b Abs. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Satz 1 letztlich sowieso mit den Kosten der Inobhutnahme belastet würde. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass eine im Gefolge dieser örtlich unzuständig durchgeführten Maßnahme beabsichtigte Heranziehung der Kostenbeitragspflichtigen zu den entstandenen Kosten gemäß §§ 91 ff. ebenfalls rechtswidrig wäre. Diese Rechtsauslegung träfe – bei abgewandelter Fallkonstellation – zudem auch auf etwaige (rechtlich nicht haltbare) Kostenerstattungsansprüche gegenüber anderen Jugendhilfeträgern zu (vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 26.9.2006, F2.120/J 3.314 Oh, JAmt 2007 S. 146).