Rz. 3

Durch die Regelung des § 89c Abs. 1 Satz 1 wird festgelegt, dass der Jugendhilfeträger, der seiner Verpflichtung nach § 86c nachgekommen ist, die Jugendhilfeleistung bei einem Zuständigkeitswechsel so lange fortzusetzen, bis der neu zuständig gewordene Träger die Leistung weiterführt, gegenüber dem inzwischen zuständig gewordenen Träger die Erstattung seiner aufgewendeten Kosten verlangen kann. Dies gilt selbst dann, wenn der erstattungsberechtigte Träger unter Umständen Leistungen erbracht hat, für die er möglicherweise in Gänze oder auch lediglich zum Teil "nur" nachrangig zuständig gewesen sein mag, z. B. im Falle eines mehrfach behinderten Kindes oder Jugendlichen, für das/den ein etwaiger Anspruch auf Eingliederungshilfemaßnahmen im Sinne des SGB XII vorhanden gewesen wäre. Da ein Nachrang der Maßnahmen der Jugendhilfe gegenüber Maßnahmen der Eingliederungshilfe wegen der Behinderung nur für die Kostenerstattung zwischen dem Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger bedeutsam ist (BVerwG, Urteil v. 23.9.1999, 5 C 26/98, BVerwGE 109 S. 325 = FEVS 51 S. 337 = ZfS 2002 S. 279), tangiert er den Kostenerstattungsanspruch des früher örtlich zuständigen (erstattungsberechtigten) Jugendhilfeträgers gegen den örtlich zuständig gewordenen (erstattungspflichtigen) Jugendhilfeträger nach § 89c nicht. Dem Erstattungsanspruch aus § 89c lässt sich vor allem nicht entgegenhalten, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger seinen Anspruch unter Hinweis auf § 104 SGB X vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger hätte geltend machen müssen, denn er ist hier nicht in eigener örtlicher Zuständigkeit tätig gewesen, sondern im Zuge seiner fortgesetzten Leistungspflicht nach § 86c. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 104 SGB X bewirkt gegenüber einem Anspruch gemäß § 89c kein Vorrangverhältnis und verdrängt einen solchen Anspruch auch nicht. Den gesetzlichen Regelungen lässt sich nicht entnehmen, dass der Anspruch eines örtlich nicht mehr zuständigen, nachrangig verpflichteten Jugendhilfeträgers gegen einen vorrangig verpflichteten Sozialhilfeträger auf Kostenerstattung dem Anspruch nach § 89c vorgeht. Für einen derartigen Vorrang gibt es indes auch keinen sachlichen Grund. Selbst wenn in solchen Fallkonstellationen ggf. 2 Erstattungsverfahren durchzuführen sind, rechtfertigt es nicht, dem örtlich nicht mehr zuständigen und im Zuge des § 86c tätigen Jugendhilfeträger den Erstattungsanspruch gegen den zuständig gewordenen Jugendhilfeträger nach § 89c unter Hinweis auf eine mögliche Erstattungspflicht des Sozialhilfeträgers zu versagen. Deshalb schließt ein eventueller Nachrang der Jugendhilfe gegenüber der nach den Bestimmungen des SGB XII zu leistenden Eingliederungshilfe den Kostenerstattungsanspruch des bislang zuständigen Jugendhilfeträgers gegen den neu zuständig gewordenen Jugendhilfeträger nach § 89c im Hinblick auf § 10 nicht aus. Sollte die Jugendhilfe tatsächlich nachrangig gewesen sein, dürfte allerdings der neu zuständig gewordene Jugendhilfeträger gegen den Träger der Sozialhilfe nach § 104 SGB X einen Erstattungsanspruch haben, da ihm die vom bisher zuständigen Träger erbrachten Jugendhilfeleistungen, deren Kosten er nach § 89c zu tragen hat, zuzurechnen sind (vgl. hierzu: OVG Niedersachsen, Urteil v. 25.7.2007, 4 LB 90/07). Der Anspruch besteht ungeachtet der Verpflichtung zur "unverzüglichen Unterrichtung" i. S. d. § 86c Satz 2 (BVerwG, Urteil v. 14.11.2002, 5 C 51/01, BVerwGE 117 S. 179 = ZfJ 2003 S. 336 = FEVS 54 S. 307 = NDV-RD 2003 S. 48) und umfasst sämtliche Aufwendungen ab dem Zeitpunkt des Eintritts der den Zuständigkeitswechsel auslösenden Umstände bis zur tatsächlichen Übernahme der Hilfeleistung durch den neu zuständig gewordenen Jugendhilfeträger. Im Regelfall dürfte dieser Zeitraum im Hinblick auf die gegenseitige Unterrichtungspflicht eher von überschaubarer, kurzer Dauer sein. Zu beachten ist hier die gesetzliche Ausschlussfrist des § 111 SGB X. Zur Geltendmachung des Erstattungsanspruches bedarf es einer unmissverständlichen Erklärung, dass Kostenerstattung begehrt wird. Ausreichend ist demnach jede Mitteilung, aus der deutlich wird, dass ein Erstattungsanspruch erhoben ist. Auch eine konkludente Geltendmachung genügt (vgl. BVerwG, Urteil v. 4.3.1993, 5 C 6.91, BVerwGE 92 S. 167). Allerdings muss der Rechtssicherungswille deutlich erkennbar sein (vgl. BVerwG, Urteil v. 10.4.2003, 5 C 18/02, FEVS 54 S. 495; BSG, Urteil v. 22.8.2000, B 2 U 24/99 R, NdsOVG, Urteil v. 10.4.2002, 4 LB 3480/01. Maßgeblich erforderlich ist dazu die Angabe der anspruchsbegründenden Tatsachen, insbesondere über Art und Umfang der gewährten Jugendhilfe einschließlich des Zeitraumes, in dem die Leistungen erbracht wurden. (Noch) nicht erforderlich ist hingegen die konkrete Bezifferung der Kosten im Zeitpunkt der Geltendmachung.

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