Rz. 12

Der Ersatzpflicht unterliegen grundsätzlich alle Sozialhilfekosten, soweit nicht das Gesetz selbst eine Ausnahme vorsieht (Abs. 5). Es kommt nicht auf die Hilfeart an, auch nicht darauf, ob es sich um einmalige oder laufende Hilfen handelt (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 102 Rz. 8).

 

Rz. 13

Ausdrücklich ausgenommen von der Kostenersatzpflicht sind nach Abs. 5 die Kosten für Leistungen nach Kap. 4 (Grundsicherung) und die vor dem 1.1.1987 entstandenen Kosten der Tuberkulosehilfe.

 

Rz. 14

Die Herausnahme der Kosten der Grundsicherungsleistungen (vgl. dazu Komm. vor §§ 102 bis 105) beruht darauf, dass diese bis 31.12.2004 in einem eigenen Gesetz geregelt waren, sie sollten ausdrücklich keine Leistungen der Sozialhilfe sein und unterlagen damit auch nicht den Regelungen der Ersatzpflichten des Sozialhilferechts. Nunmehr finden sich die Vorschriften des ehemaligen Grundsicherungsgesetzes v. 26.6.2001 (BGBl. I S. 1310) im SGB XII, die Grundsicherungsleistungen werden damit zu Sozialhilfeleistungen. Wie sich aus verschiedenen Regelungen ergibt, handelt es sich allerdings um Sozialhilfeleistungen eigener Art. Zum einen gehen sie der Hilfe zum Lebensunterhalt vor (§ 19 Abs. 2 Satz 3), zum anderen werden Leistungen der Grundsicherung versagt, wenn die Bedürftigkeit in den letzten 10 Jahren mutwillig (vorsätzlich oder grob fahrlässig) herbeigeführt wurde (§ 41 Abs. 3). Darüber hinaus sind die Leistungen der Grundsicherung antragsabhängig (§ 41 Abs. 1); sie unterliegen nicht dem Kenntnisgrundsatz des § 18. Schließlich ist die Heranziehung Unterhaltspflichtiger erheblich eingeschränkt (§ 43 Abs. 2). In diese Systematik würde sich eine Erbenhaftung für Leistungen der Grundsicherung nicht einfügen (a. A. Conradis, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 102 Rz. 19). Sie ist daher zu Recht ausgenommen. Eine andere Frage ist es, ob die Regelungen über die Grundsicherung ihrer Eigenart entsprechend überhaupt sinnvoll in das Sozialhilferecht integrierbar sind (zweifelnd: Rothkegel, Sozialhilferecht im Umbruch, ZFSH/SGB 2004 S. 396, 407).

 

Rz. 15

Die Herausnahme der Tuberkulosehilfekosten findet ihren Grund darin, dass diese Hilfeart über die eigentliche Aufgabe der Sozialhilfe hinausgehend auch die Umgebung der Tuberkulosekranken gegen Übertragung schützen sollte. Die Tuberkulosehilfe selbst ist mit dem 2. Rechtsbereinigungsgesetz mit Wirkung zum 1.1.1987 weggefallen. Da es dadurch seit nunmehr über einem Vierteljahrhundert keine Leistungen der Tuberkulosehilfe mehr gibt, sind Fallgestaltungen, die unter Abs. 5 HS 2 fallen, unter keinem Blickwinkel denkbar (Conradis, a. a. O., § 102 Rz. 20), es sei denn in theoretisch vorstellbaren Altfällen, in denen die Erlöschensfrist gehemmt oder unterbrochen war (Steimer, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 102 Rz. 34).

 

Rz. 16

Die Kostenersatzpflicht bezieht sich nur auf diejenigen Kosten, die innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind (Abs. 1 Satz 2). Unschädlich ist es, wenn die eigentliche Zahlung erst nach dem Erbfall erbracht wurde wie z. B. eine Heimentgeltabrechnung (Steimer, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 102 Rz. 11). Der Erbfall tritt im Zeitpunkt des Todes ein (§ 1922 Abs. 1 BGB). Die Frist berechnet sich über die Bezugnahme des § 26 SGB X nach § 188 Abs. 2 BGB. Die Frist läuft somit, gerechnet vom Todestage an bis zu dem Tag vor 10 Jahren, der der Zahl (des Datums) des Todestages entspricht (Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 102 Rz. 8).

 
Praxis-Beispiel

Erbfall/Todestag am 12.1.2011, Fristbeginn am 12.1.2001. Der Ersatzpflicht unterliegen in diesem Beispielsfall also nur diejenigen Sozialhilfeaufwendungen, die v. 12.1.2001 an angefallen sind.

Der Ersatzanspruch hängt nicht davon ab, wann innerhalb des 10-Jahres-Zeitraumes die Hilfe gewährt wurde, auch dann nicht, wenn der Vermögenserwerb erst nach Hilfeleistung stattgefunden hat (OVG Münster, Urteil v. 20.2.2001, 22 A 2686/99, FEVS 53 S. 378; OVG Berlin, Urteil v. 23.6.2005, 6 B 23.03, FEVS 57 S. 517). Es ist weder einfachrechtlich geboten noch verfassungsrechtlich gefordert, die Haftung mit dem Wert des Nachlasses auf das Schonvermögen zu reduzieren. Der Wortlaut der Bestimmung sieht keine Beschränkung des Erbenersatzes auf das während des Hilfebezugs vorhandene Schonvermögen vor. Die in § 102 verwendeten Begriffe "Erbe" und "Wert des Nachlasses" sind diejenigen des BGB (OVG Berlin, a. a. O., unter Hinweis auf BVerwG, Urteil v. 23.9.1982, 5 C 109/81, FEVS 32 S. 177). Das folgt auch aus dem Zweck der Kostenersatzpflicht. Diese soll im öffentlichen Interesse eine möglichst umfassende Refinanzierung aufgewendeter Sozialhilfekosten sicherstellen (BVerwG, Urteil v. 10.7.2003, 5 C 17/02, FEVS 55 S. 124). Die sozialen Belange des Erben nimmt § 102 (nur) insoweit in den Blick, als die Kostenersatzansprüche nach Entstehung und Umfang auf den Wert des Nachlasses begrenzt sind und ihre Geltendmachung lediglich unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 (Härteregelung) ausgeschlossen ist (OVG Be...

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