0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Bestimmung entspricht der Vorgängervorschrift des § 92c BSHG mit 3 Modifikationen:
- Die Freibeträge in Abs. 1 und Abs. 3 wurden vom 2-fachen auf das 3-fache des Grundbetrages (nach § 85 Abs. 1) erhöht.
- Der Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz v. 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) wird dem Ehegatten gleichgestellt.
- Leistungen der Grundsicherung (§§ 41ff.) sind nicht Gegenstand der Erbenhaftung.
Ansonsten ergeben sich keine Unterschiede.
Die Vorschrift trat als Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft.
Durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 2.12.2006 (BGBl I S. 2670) wurde mit Wirkung zum 7.12.2006 Abs. 4 Satz 2 wie folgt gefasst: "§ 103 Abs. 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend." Begründet wurde die Änderung mit dem Hinweis: "Ergänzung eines bisher unvollständigen Verweises." (BR-Drs. 617/06).
1 Allgemeines
Rz. 2
Der Sinn der Ersatzpflicht des Erben besteht darin, zu vermeiden, dass die Schutzvorschriften über den Einsatz des Vermögens zugunsten des Sozialhilfeempfängers (§ 90 Abs. 2 und 3) sich im Wege der Erbfolge auch als "Erbenschutzvorschrift" auswirken (vgl. auch Komm. vor §§ 102 bis 105). Zwar gehen Ansprüche des Sozialhilfeträgers gegen den Sozialhilfeempfänger mit dessen Tod als Bestandteil des Nachlasses auf den Erben über, in den Fällen des Vermögensschutzes ist aber gerade ein solcher Anspruch gegen den Sozialhilfeempfänger nicht entstanden. Ohne eine besondere Erbenhaftungsvorschrift würde deshalb in Anwendung der allgemeinen erbrechtlichen Regelungen dem Erben zulasten der Allgemeinheit Vermögen nur deshalb zuwachsen, weil dem Sozialhilfeempfänger und seinem nächsten Angehörigen selbst (§ 19) die Verwertung dieser Vermögen nicht zugemutet worden ist (amtliche Begründung zum Zweiten Gesetz zur Änderung des BSHG v. 14.8.1996, BGBl. I S. 1153; BT-Drs. V/3495; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 102 Rz. 2; Wolf, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl., § 102 Rz. 3; Steimer, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 102 Rz. 3; ausführlich dazu: Doering-Striening 2009 S. 94 ff.). Zur Abgrenzung zu sonstigen Rückzahlungsverpflichtungen vgl. Komm. vor §§ 102 bis 105.
Rz. 3
Aus dem so verstandenen Sinn der Vorschrift (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 102 Rz. 1 ff.; Conradis, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 102 Rz. 2) folgt auch, dass die Ersatzpflicht des Erben nur bei rechtmäßig geleisteter Sozialhilfe (BSG, Urteil v. 23.3.2010, B 8 SO 2/09 R, info also 2010 S. 64) in Betracht kommen kann. Denn eine rechtswidrig erbrachte Sozialhilfeleistung kann nicht ohne weiteres von dem insoweit unbeteiligten Erben zurückverlangt werden. Hat also der Sozialhilfeträger Leistungen, wenn auch "großzügigst" (so BayVGH, Urteil v. 24.7.2003, 12 B 01.1454, FEVS 55 S. 211), aber aufgrund Rechtsirrtums materiell-rechtlich rechtswidrig gewährt, ist ihm der Weg des § 102 versperrt. Er ist in diesen Fällen darauf verwiesen, den Bewilligungsbescheid als Rechtsgrundlage der zu Unrecht erbrachten Leistungen aufzuheben und der Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen vom Leistungsempfänger oder ggf. von dessen Erben nach den dafür maßgeblichen Vorschriften der §§ 45, 50 SGB X zu fordern (Wolf, in: Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 102 Rz. 5; OVG Berlin, Urteil v. 23.6.2005, 6 B 23.03, FEVS 57 S. 517).
Rz. 4
§ 102 begründet eine sog. selbständige Erbenhaftung (Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 102 Rz. 3). Da ein originärer Anspruch gegen den Verstorbenen im Zeitpunkt des Todes nicht bestanden hat, kann ein solcher nach den allgemeinen Regelungen auch nicht auf den Erben übergehen. Der Anspruch nach § 102 entsteht also mit dem Tod des Sozialhilfeempfängers kraft Gesetzes.
Rz. 5
Davon abzugrenzen ist die sog. unselbständige Erbenhaftung nach § 103 Abs. 2, wonach eine vor dem Erbfall in der Person des Sozialhilfeempfängers und Erblassers begründete Verpflichtung zum Ersatz der Sozialhilfekosten auf den Erben übergeht. Beide Ansprüche können allerdings bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen miteinander in Konkurrenz treten, sie schließen sich nicht gegenseitig aus, der Sozialhilfeträger entscheidet vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen, nach welcher der beiden Vorschriften er vorgehen will (Steimer, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 102 Rz. 6; H. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O., § 102 Rz. 7).
2 Rechtspraxis
2.1 Ersatzverpflichtete (Abs. 1 Satz 1 und 4)
Rz. 6
Kostenersatzpflichtig ist der Erbe des Sozialhilfeempfängers, daneben aber nach § 102 Abs. 1 auch der Erbe des Ehegatten (oder des Lebenspartners) des Sozialhilfeempfängers, wenn dieser vor dem Sozialhilfeempfänger verstirbt. Die Haftung des Erben des vorverstorbenen Ehegatten folgt daraus, dass auch der nicht Sozialhilfe beziehende Ehegatte nach § 19 i. V. m. § 90 den dort normierten Vermögensschutz genießt und daher der Sinn der Erbenhaftung auch hier dessen Haftung gebietet.
Rz. 7
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