Rz. 3
Durch die Erwähnung der Erfordernisse des Einzelfalles in Abs. 1 Satz 1 wird wieder an den Individualisierungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1) angeknüpft. Die Formulierung des Gesetzes ("kann") verdeutlicht, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, die vom zuständigen Sozialhilfeträger unter Beachtung der nachfolgenden Regelungen zu treffen ist (Deckers, a. a. O., § 13 Rz. 12 m. w. N.). So ist das Ermessen durch die vorgegebene Rangfolge von ambulant nach stationär besonders gebunden, es sei denn, dass nach Abs. 1 Satz 3 ff. ein Ausnahmefall vorliegt (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 3.3.2011, L 8 SO 24/09 B ER). Zu den einzelnen Stufen der Prüfung vgl. Rz. 6 ff. Allerdings ist zu bedenken, dass durch diese Regelung kein Rechtsanspruch des Leistungsberechtigten auf Hilfegewährung in einer offenen, ambulanten Form geschaffen wird (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 3.3.2011, a. a. O.; Treichel, in: Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, § 13 Rz. 8; Fichtner, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII – Sozialhilfe mit AsylbLG, 4. Aufl. 2009, § 13 Rz. 5). Ebenso wenig kann ein Anspruch auf Schaffung von Einrichtungen daraus abgeleitet werden (Deckers, a. a. O., § 13 Rz. 14).
Rz. 4
Der Satz 1 enthält eine teilweise Beschreibung der einzelnen Leistungsorte und Arten der Leistungserbringung: ambulant, teilstationär und stationär.
Von einer ambulanten Leistung oder einem ambulanten Dienst wird nach der eindeutigen Vorgabe im Gesetz gesprochen, wenn die Hilfe außerhalb von Einrichtungen erbracht wird (typischer Fall ist etwa die Schuldnerberatung oder die häusliche – ambulante – Pflege). Folglich sind ambulante Dienste keine Einrichtungen i. S. d. Abs. 2 (vgl. BSG, Urteil v. 13.7.2010, B 8 SO 13/09 R), weshalb sie auch nicht Sonderrechtsnachfolger eines verstorbenen Leistungsberechtigten nach § 19 Abs. 6 werden können. Die jeweilige Art der Leistungserbringung ist auch maßgeblich für die sachliche und örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 und die Kostenerstattung nach § 106 Abs. 2.
Rz. 4a
Der ursprünglich im Gesetz zu findende Satz 2 in Abs. 1 hatte folgenden Wortlaut: "Stationäre Einrichtungen sind Einrichtungen, in denen Leistungsberechtigte leben und die erforderliche Hilfe erhalten." Dieser Satz wurde durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 6.12.2006 gestrichen. Zur Begründung hatte es in der BT-Drs. 2711 v. 25.9.2006 dazu geheißen: "Durch die Streichung wird klargestellt, dass es sich beim bisherigen Satz 2 nicht um eine Definition des Begriffes ‚Einrichtung’ gehandelt hat; vielmehr greift die gefestigte Rechtsprechung zum Einrichtungsbegriff des Absatzes 2 wie bisher."
Rz. 5
Den Einrichtungsbegriff hat der Gesetzgeber für in § 13 Abs. 2 einheitlich definiert. Der Begriff ist offener im Vergleich zum BSHG. Dort war noch zwischen Anstalten, Heimen und sonstigen Einrichtungen unterschieden worden. Gewisse Merkmale müssen vorliegen, damit der Einrichtungsbegriff als erfüllt angesehen werden kann: Einrichtungen sind alle Organisationsformen, die der Pflege, Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen.
Relevanz kommt dem Einrichtungsbegriff u. a. im Rahmen der Prüfung der Leistungsberechtigung nach dem SGB II zu. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Da das SGB II keine Definition des Einrichtungsbegriffs enthält, wurde in der Rechtsprechung bereits früher auf den Einrichtungsbegriff des SGB XII zurückgegriffen, wobei das BSG zunächst für den Bereich des SGB II einen eigenen "funktionalen Einrichtungsbegriff" entwickelt hat. Für den zum 1.8.2006 neugefassten § 7 Abs. 4 SGB II hat es diese funktionale Betrachtungsweise aufgegeben und legt nunmehr den sozialhilferechtlichen Einrichtungsbegriff zugrunde (vgl. BSG, Urteil v. 5.6.2014, B 4 AS 32/13 R).
Der Einrichtungsbegriff kann dergestalt untergliedert werden, dass es teilstationäre und stationäre Einrichtungen gibt (vgl. Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 13 Rz. 54). Beide Typen von Einrichtungen werden dadurch gekennzeichnet, dass (zumindest im Rahmen eines Teilaufenthalts) in ihnen gelebt und die jeweils erforderliche Hilfe dort in einer besonderen Organisationsform von personellen und tatsächlichen Mitteln erbracht wird. Dabei wird eine längere Verweildauer vorausgesetzt, auf eine gewisse Mindestgröße kommt es hingegen nicht entscheidend an (vgl. Luthe, a. a. O., § 13 Rz. 60; Deckers, a. a. O., § 13 Rz. 28).
Rz. 5a
Von teilstationärer Leistung kann dann gesprochen werden, wenn die Hilfe nur an Teilen des Tages (z. B. während des Tages oder der Nacht) in einer Einrichtung erbracht wird (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 15.5.2013, L 20 SO 67/08). Aus dem Pflegebereich kennt man z. B. die sog. Tageskliniken. Das Maß der physischen und organisatorischen Eingliederung des Leistungsberechtigten im Rahmen einer teilstationären Einrichtung unterscheidet sich von dem im Rahmen einer stationä...