Rz. 71
Die Übertragung eines Anspruchs kann grundsätzlich im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge stattfinden.
Rz. 72
Absatz 1 Satz 2 enthält eine Regelung, die den Primäranspruch auf Sozialhilfe besonders sichert, da es sich hierbei um Leistungen zur Ermöglichung eines menschenwürdigen Daseins handelt. Sie schließt die Übertragung, Verpfändung und Pfändung aus und enthält diesbezüglich ein gesetzliches Verbot (vgl. §§ 134, 400 BGB). Damit trägt sie dem Umstand Rechnung, dass der (Primär-)Anspruch auf Sozialhilfe ein höchstpersönliches Recht ist. Die Sozialhilfe kann ihren Zweck, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Satz 1), nur erfüllen, wenn sie dem Bedürftigen zugutekommt und dem Zugriff Dritter entzogen ist (BSG, Urteil v. 6.10.2022, B 8 SO 2/21 R Rz. 18).
Rz. 73
Mit Übertragung ist jeder Gläubigerwechsel gemeint. In der Regel erfolgt er zivilrechtlich durch Abtretung im Sinne von § 398 BGB. Allerdings verbietet § 399 BGB die Abtretung, wenn die Leistung an einen anderen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Darin kommt der Gedanke, höchstpersönliche Rechte von der Veräußerung auszunehmen, bereits zum Ausdruck. Er wird durch Abs. 1 Satz 2 lediglich noch konkretisiert. Mit dem vollständigen Verbot der Übertragung geht die Vorschrift dem § 53 SGB I vor, der eine Übertragung unter näher beschriebenen Grenzen zulässt (vgl. § 37 SGB I). Insbesondere ist damit ausgeschlossen, dass der Leistungsempfänger den Anspruch auf Sozialhilfe als Sicherung zur Erlangung anderweitiger Leistungen verwendet. Dritte, an die der Anspruch zu diesem Zweck (oder aus anderen Gründen) abgetreten worden ist, können aus der Abtretung gegen den Sozialhilfeträger keine Rechte herleiten.
Rz. 74
Wie die Abtretung ist auch die Verpfändung des Anspruchs auf Sozialhilfe nach Maßgabe der §§ 1204 ff. BGB ausgeschlossen. Auch insoweit ist die Vorschrift Spezialregelung gegenüber § 53 SGB I.
Rz. 75
Ebenso wie der Leistungsempfänger nicht über den Sozialhilfeanspruch verfügen darf, steht er auch seinen Gläubigern nicht zur Verwertung frei. Eine Forderungspfändung gemäß §§ 829 ff. ZPO wird durch Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich untersagt. Damit ist der Sozialhilfeanspruch noch stärker geschützt als Ansprüche auf andere Sozialleistungen, die jedenfalls in ihrer konkreten Gestalt als Geldleistungen nach § 54 SGB I unter den dort genannten Voraussetzungen gepfändet werden können. Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der die Unpfändbarkeit missachtet, ist allerdings nicht nichtig, sondern nur anfechtbar (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 28.5.2009, L 15 SO 113/08, mit Hinweis auf Stöber, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 829 Rz. 4).
Rz. 75a
Nach dem BSG fallen unter das Abtretungsverbot auch Surrogate, insbesondere Geldleistungen, wenn sie zweckgebunden zur Anschaffung einer konkreten Dienst- oder Sachleistung gezahlt werden (BSG, Urteil v. 6.10.2022, B 8 SO 2/21 R Rz. 19). Eine teleologische Reduktion des § 17 Abs. 1 Satz 2 kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen es nicht mehr um den originären Sozialhilfeanspruch und damit primären Leistungsanspruch nach dem SGB XII geht, sondern um den Ausgleich der Folgen des wegen eines Systemversagens entstandenen Schadens als Sekundäranspruch (BSG, Urteil v. 21.9.2017, B 8 SO 3/16 R Rz. 20, sowie Urteil v. 6.10.2022, a. a. O., Rz. 19). Über einen dann bestehenden Erstattungsanspruch, bei em es sich um einen Geldleistungsanspruch handelt, kann der Berechtigte verfügen (BSG, Urteil v. 6.10.2022, a. a. O., Rz. 19). Nach dem BSG setzt eine wirksame Abtretung dann aber voraus, dass der Anspruch bereits festgestellt ist (BSG, Urteil v. 6.10.2022, a. a. O., Rz. 20). Begründet wird dieses Erfordernis insbesondere mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Leistungsempfängers. Ansonsten bestünde zudem die Gefahr, dass die Regelungen der §§ 60 ff. SGB I umgangen würden, da der Hilfeempfänger im Prozess Zeuge wäre und –freilich in den Grenzen der Zeugnisverweigerung – grundsätzlich auszusagen hätte.
Rz. 75b
Auch durch eine Prozessstandschaft, bei welcher der Prozessstandschafter ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend macht und lediglich prozessführungsbefugt ist, darf das Abtretungsverbot nicht umgangen werden. Eine diesbezügliche Prozessführungsermächtigung ist unwirksam (BSG, Urteil v. 6.10.2022, a. a. O., Rz. 23; im entschiedenen Fall hatte sich ein Krankenhaus eine "Kostensicherungsvereinbarung" unterzeichnen lassen, in der es bevollmächtigte wurde, im Namen des Hilfesuchenden Klage zu erheben).
Rz. 76
Seit dem 1.7.2010 können Schuldner infolge der durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes (BGBl. I 2009 S. 1707) vorgenommenen Änderung des § 850k ZPO ihr Girokonto bei ihrem Kreditinstitut als "Pfändungsschutzkonto" führen lassen. Übergangsweise galt die auch auf Sozialhilfeberechtigte anwendbare Vorschrift des § 55 SGB I über die Kontenpfändung und Pfändung von Bargeld noch fort, zum 1.1...