Rz. 2

Seine Ursprünge findet der Kenntnisgrundsatz bereits in der Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht (RFV) v. 13.2.1924, wonach die Fürsorge rechtzeitig einzusetzen hatte. § 18 übernahm inhaltsgleich, wenn auch mit wenigen redaktionellen Änderungen bzw. Klarstellungen, die Vorschrift des § 5 BSHG. Neu war gegenüber § 5 BSHG die Erwähnung der gemäß § 41 Abs. 1 ausdrücklich antragsabhängigen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in § 18 Abs. 1 als Ausnahme vom hier geregelten Kenntnisgrundsatz. Da diese Leistungen bis zum 31.12.2004 im GSiG geregelt waren, war eine Erwähnung in § 5 BSHG nicht angezeigt. § 5 Abs. 2 BSHG, der im Wesentlichen mit § 18 Abs. 2 übereinstimmt, wurde dabei erst mit Wirkung ab dem 1.8.1996 durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts eingefügt.

 

Rz. 3

Der Bestimmung liegen 3 wesentliche Gedanken zugrunde:

  • Das Prinzip der Rechtzeitigkeit der Sozialhilfe. Sie muss möglichst sofort wirksam werden (vgl. BSG, Urteil v. 10.11.2011, B 8 SO 18/10 R m. w. N.).
  • Das Prinzip der Antragsunabhängigkeit. Mit § 18 soll Armut aus Unwissenheit oder Scham verhindert, ein "niederschwelliger" Zugang zu den Hilfen nach dem SGB XII soll gewährleistet werden (vgl. BSG, Urteil v. 26.8.2008, B 8/9b SO 18/07 R m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil v. 6.3.2013, L 8 SO 4/10; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 28.8.2014, L 9 SO 28/14). Insofern markiert die Vorschrift eine zentrale Grenzlinie zwischen den Versorgungs- und Sozialversicherungssystemen (mit Ausnahme der gesetzlichen Unfallversicherung).
  • Aus der Erkenntnis, dass Sozialhilfe in erster Linie dazu dient, den Bedarf in einer gegenwärtigen Notlage zu decken, folgt das Prinzip der Gegenwärtigkeit – Sozialhilfe wird grundsätzlich nicht für die Vergangenheit geleistet.
 

Rz. 4

Abs. 1 ist eine Spezialregelung zu § 40 SGB I. Die Vorschrift bestimmt, dass die Sozialhilfe einsetzt, sobald dem Sozialhilfeträger oder einer ihm zuzurechnenden Stelle bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Damit verzichtet der Gesetzgeber für das Entstehen des Anspruchs auf Sozialhilfe (soweit ihre Gewährung dem Grunde, der Art oder dem Maß nach im Ermessen des Sozialhilfeträgers liegt) auf die Notwendigkeit der Bekanntgabe der Entscheidung.

 

Rz. 5

Der Regelungsgehalt des § 18 erschließt sich nicht vollständig ohne den Blick auf § 25, denn das Sozialhilferecht enthält nicht etwa eine Schutzlücke für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Leistungsvoraussetzungen und ihrem Bekanntwerden beim zuständigen Träger, vielmehr sieht § 25 für Dritte, die den Bedarf des Hilfebedürftigen in der Zwischenzeit decken, die Möglichkeit eines Ersatzanspruchs vor (vgl. im Einzelnen die Komm. zu § 25).

 

Rz. 5a

In der Vergangenheit umstritten war die Frage, ob § 18 auch im AsylbLG Anwendung findet, wobei überwiegend die Ansicht vertreten wurde, dass dies nicht der Fall ist (vgl. BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 7 AY 2/12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 6.5.2013, L 20 AY 145/11; Coseriu, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, § 18 Rz. 4; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar, 5. Aufl. 2014, § 4 AsylbLG Rz. 9; a. A. offenbar: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 15.1.2010, L 23 AY 1/07). Durch das Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes v. 10.12.2014 (BGBl. I S. 2187) wurde mit Wirkung zum 1.3.2015 die Regelung des § 6b AsylbLG eingeführt, die § 18 SGB XII zur Bestimmung des Einsetzens der Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 AsylbLG für entsprechend anwendbar erklärt.

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