Rz. 37
Absatz 3 betrifft die übrigen Leistungen des SGB XII nach dessen Kap. 5 (Hilfen zur Gesundheit), Kap. 7 (Hilfe zur Pflege), Kap. 8 (Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten) und Kap. 9 (Hilfe in anderen Lebenslagen). Die Vorschrift stand früher am Beginn des Abschn. 3 BSHG (Hilfe in besonderen Lebenslagen), umfasste aber auch dort schon die heute in Kap. 5 bis 9 geregelten Leistungsarten (vgl. den Katalog in § 27 BSHG).
Rz. 38
Ebenso wie § 27 Abs. 2 Satz 2 und 3 stellt auch Abs. 3 auf die Einsatzgemeinschaft ab. Es werden daher nicht nur das Einkommen und Vermögen des Hilfesuchenden selbst, sondern auch seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners und bei minderjährigen und unverheirateten Hilfesuchenden Einkommen und Vermögen der Eltern oder eines Elternteils berücksichtigt. Erweitert wird die Einsatzgemeinschaft auch hier über § 20 um die eheähnliche bzw. lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft. Von Getrenntleben i. d. S. ist nicht schon bei einer räumlichen Trennung der Ehegatten oder Partner auszugehen, z. B. durch den Aufenthalt in einem Pflegeheim. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht nur vorübergehend aufgehoben ist. Es bedarf eines Trennungswillens der Eheleute. Die Annahme eines derartigen Trennungswillens setzt nicht aber voraus, dass die Eheleute keinerlei Kontakt mehr zueinander haben. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, wenn sich aus den ihre Beziehung zueinander kennzeichnenden Gesamtumständen ergibt, dass mindestens ein Ehegatte den Willen hat, sich vom anderen Ehegatten unter Aufgabe der bisherigen Lebensgemeinschaft auf Dauer zu trennen (BVerwG, Urteil v. 26.1.1995, 5 C 8/93).
Rz. 39
Gegenüber der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 2 und 3 bestehen allerdings folgende Unterschiede:
Rz. 40
Anders als bei § 27 Abs. 2 Satz 3 kommt es nach dem Wortlaut des Abs. 3 hinsichtlich des minderjährigen unverheirateten Hilfesuchenden nicht darauf an, ob die Eltern oder der Elternteil mit ihm in einem Haushalt zusammenleben (BVerwG, Urteil v. 8.7.1982, 5 C 39/81). Jedenfalls unter der Geltung der Vorgängervorschrift in § 28 BSHG war diese Frage allerdings sehr umstritten. Während zum Teil streng auf den Wortlaut abgestellt wurde (Fichtner, BSHG-Kommentar, § 28 Rz. 3; Mergler/Zink, BSHG-Kommentar, § 28 Rz. 18), betont die Gegenmeinung Sinn und Zweck der Einstandsgemeinschaft, nur diejenigen Personen zusammenzufügen, die in einer engen persönlichen und räumlich-gegenständlichen Gemeinschaft zusammenlebten (vgl. Coseriu/Filges, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., Stand: 23.12.2022, § 19 Rz. 34).
Es dürfte jedoch aufgrund der unterschiedlichen Art der Hilfen (existenzsichernde Leistungen in Abs. 1 und besondere Hilfen in Abs. 3) ein sachlicher Grund für die unterschiedlich ausgestalteten Einsatzgemeinschaften bei Minderjährigen bestehen. Im Übrigen nimmt § 94 Abs. 1a Satz 6 SGB XII lediglich bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel Unterhaltsansprüche Minderjähriger von den durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz v. 10.12.2019 (BGBl. I S. 2135) geschaffenen Privilegierungen aus. Dies spricht systematisch für eine unterschiedliche Behandlung der Einsatzgemeinschaften bei minderjährigen Leistungsberechtigten in § 19 Abs. 1 einerseits und Abs. 3 andererseits. M.a.W.: Für die Annahme einer Einsatzgemeinschaft eines minderjährigen Leistungsberechtigten mit seinen Eltern bzw. einem Elternteil kommt es im Rahmen des § 19 Abs. 3 – insoweit anders als in § 27 Abs. 2 Satz 3 – nicht darauf an, ob der Minderjährige dem elterlichen Haushalt angehört oder nicht.
Rz. 41
Zudem ist anders als bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nur Einkommen und Vermögen in zumutbarem Umfang einzusetzen, wobei § 82 Abs. 3 nur für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach Abs. 1, nicht aber für die Hilfen nach Abs. 3 gilt. Die Leistung von Arbeit kann bei der Hilfe nach Abs. 3 nicht verlangt werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 19.6.1974, 7 A 6/74). Anders liegt es nur dann, wenn hierfür spezialgesetzliche Grundlagen bestehen, z. B. in Gestalt von § 72 Abs. 1 Satz 4 für die Blindenhilfe.
Rz. 42
Absatz 3 gilt nur, soweit nicht speziellere Vorschriften der Kap. 5 bis 9 bestehen. Hierzu zählen § 68 Abs. 2, wonach die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen erbracht wird, soweit im Einzelfall Dienstleistungen erforderlich sind und die Regelungen über die Einsatzgemeinschaft nicht zur Anwendung kommen, soweit dies den Erfolg der Hilfe gefährden würde. Nach § 71 Abs. 4 soll Altenhilfe ohne Rücksicht auf vorhandenes Einkommen oder Vermögen geleistet werden, soweit im Einzelfall Beratung und Unterstützung erforderlich sind.
Rz. 43
Die Regeln über die Einsatzgemeinschaft gelten bei der Hilfe zur Pflege auch dann, wenn der Ehegatte die häusliche Pflege als "nahestehende Person" i. S. v. § 63 leistet. Es ist nicht statthaft, sich durch ein Außerachtlassen des Einkommens oder Ver...