Rz. 59
Die Regelung in Abs. 6 soll Härten vermeiden, die entstehen können, weil der Anspruch auf Sozialhilfe grundsätzlich mit dem Tod des Berechtigten untergeht und nicht vererbt werden kann. Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund der früheren Rechtsprechung des BVerwG zur generellen Unvererblichkeit von Sozialhilfeansprüchen zu sehen. Der Gesetzgeber wollte in bestimmten Fällen einen Anspruchsübergang ermöglichen. Aus diesem Grund ordnet die Vorschrift – begrenzt auf die Hilfe für Einrichtungen und die Zahlung von Pflegegeld – einen Anspruchsübergang auf denjenigen an, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat. Es handelt sich um einen gesetzlichen Gläubigerwechsel (cessio legis), wonach dem Berechtigten der Anspruch des Leistungsempfängers zuwächst, der Leistungsträger ihm gegenüber aber auch die gegenüber dem Leistungsempfänger bestehenden Einreden entgegen gehalten werden können. Dem Berechtigten kann somit auch die fehlende Bedürftigkeit des Verstorbenen entgegengehalten werden; die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs zugunsten der Einrichtung scheidet dabei ebenso aus, wie die zugunsten des Hilfeempfängers selbst (BSG, Urteil v. 20.9.2012, B 8 SO 20/11 R). Auch ein Anspruch auf erweiterte Hilfe nach Abs. 5 kann nach Abs. 6 übergehen. Nach dem BSG erstreckt sich die Sonderrechtsnachfolge nach Abs. 6 auch auf Ansprüche des Verstorbenen auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (BSG, Urteil v. 6.12.2018, B 8 SO 2/17 R Rz. 20).
Rz. 60
Der Begriff der Einrichtung ist hier im Sinne einer voll- oder teilstationären Versorgung zu verstehen. Er war bereits nach dem Rechtsverständnis des BSHG der Oberbegriff für "Anstalten", "Heime" und "gleichartige Einrichtungen" (BSG, Urteil v. 13.7.2010, B 8 SO 13/09 R m. w. N.). Nach der zum BSHG ergangenen Rechtsprechung des BVerwG handelt es sich bei einer Einrichtung um einen in einer besonderen Organisationsform zusammengefassten Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwG, Urteile v. 24.2.1994, 5 C 24/92 und 5 C 42/91). Dabei wurde die räumliche Bindung an ein Gebäude von jeher als wesentliches Merkmal einer Einrichtung i. d. S. angesehen. Dagegen findet Abs. 6 keine Anwendung auf ambulante Dienste (BSG, Urteil v. 13.7.2010, B 8 SO 13/09 R; a. A. Hacke, ZFSH/SGB 2012, 377; einen anderen Lösungsansatz zugunsten ambulanter Pflegedienste vorschlagend: Rein, ZFSH/SGB 2012, 592). Auch wenn der Hilfebedürftige in einer Wohngemeinschaft mit anderen Behinderten gepflegt wurde, handelt es sich nicht um Leistungen für Einrichtungen i. S. d. Abs. 6 (LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 26.11.2014, L 9 SO 23/11). Mit dem Begriff des Pflegegeldes knüpft die Vorschrift an die Leistung nach § 64 an.
Rz. 61
Mit dem Tod des Leistungsberechtigten geht der Anspruch auf den Träger der Einrichtung bzw. die Person über, die die Pflege tatsächlich erbracht hat. Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen ist auf die Person des Leistungsberechtigten, unter Einschluss der Bedürftigkeit, abzustellen. Die Begünstigten können den Anspruch in eigenem Namen vor den Sozialgerichten verfolgen.
Bei Überprüfungsanträgen (§ 44 SGB X) ist zu differenzieren: In Fallkonstellationen, in denen ergangene Bescheide vor dem Tod des Sozialhilfeberechtigten bzw. nach dessen Tod mangels Rechtsmittels eines Rechtsnachfolgers Bestandskraft erlangt haben, kommt ein Überprüfungsantrag durch den Sonderrechtsnachfolger nach dem BSG nicht mehr in Betracht (BSG, Urteil v. 23.7.2015, B 8 SO 15/14 R). In Fallkonstellationen, in denen der verstorbene Leistungsberechtigte ein Verfahren zur Überprüfung der Ablehnung von (höheren) Leistungen noch vor seinem Tod selbst in Gang gesetzt hat, das Verfahren bei seinem Tod noch nicht abgeschlossen war, tritt der Sonderrechtsnachfolger hingegen kraft Gesetzes nach § 19 Abs. 6 ein (BSG, Urteil v. 12.5.2017, B 8 SO 23/15 R).
Rz. 62
Insgesamt dient Abs. 6 der Förderung einer schnellen Hilfe durch Dritte, indem diese nicht Gefahr laufen sollen, auf ihnen entstandenen Kosten sitzen zu bleiben. Dieser Zweck deckt sich weitgehend mit dem des § 25, der einen Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers in einer speziellen sozialhilferechtlichen Form der Geschäftsführung ohne Auftrag vorsieht.