Rz. 44
Nach Abs. 3 Satz 1 1. Alternative haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Rz. 45
Zum Verhältnis zu den übrigen Tatbeständen des § 23: Abs. 3 ist Spezialbestimmung zu Abs. 1 Satz 1, nicht zu Abs. 1 Satz 3 (vgl. Rz. 16 und Adolph, a. a. O., § 23 Rz. 77). Absatz 3 ermöglicht auch den Ausschluss von Leistungen für die an und für sich nach Abs. 1 Satz 4 und 5 privilegierten Leistungsberechtigten (vgl. BVerwG, Urteil v. 10.12.1987, 6 C 32/85, BVerwGE 78 S. 314). Entgegen einer früher vertretenen Auffassung ist diese Regelung europarechtskonform (vgl. dazu Rz. 34 m. w. N.).
Rz. 45a
Absatz 3 gilt auch nicht für Leistungsberechtigte nach Abs. 2, Abs. 3 Satz 2, sie ist eine spezielle Regelung, bei der die Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 1 nicht erfüllt sein müssen (vgl. Rz. 53). Absatz 3 wird schließlich nicht durch Abs. 5 verdrängt, weil Abs. 5 die Einschränkung eines bestehenden, Abs. 3 aber den generellen Ausschluss des Anspruchs regelt. Es kann nicht sein, dass ein Ausländer, der wegen Missbrauchs gar keinen Anspruch hat, durch Abs. 5 besser gestellt wird, weil er zusätzlich gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstößt (ebenso: Adolph, a. a. O., § 23 Rz. 79).
Rz. 46
Nach Abs. 3 Satz 1 ist Voraussetzung, dass der Ausländer eingereist ist, um Sozialhilfe zu erlangen.
Rz. 47
Eine Einreise setzt den Grenzübertritt aus dem Ausland voraus und scheidet daher schon begrifflich aus, wenn sich der Ausländer seit seiner Geburt im Inland aufgehalten hat (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 27.11.1997, 8 A 7050/95, FEVS 48 S. 541; Adolph, a. a. O., § 23 Rz. 85; Herbst, a. a. O., § 23 Rz. 44). Nicht maßgeblich ist danach, ob seine Eltern vor seiner Geburt zwecks Erlangung von Sozialhilfe einreisten, denn es handelt sich um einen individuellen Anspruch.
Rz. 48
Um Sozialhilfe zu erlangen, ist der Ausländer eingereist, wenn es einen finalen Zusammenhang zwischen dem Entschluss zur Einreise und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe gibt, also – wie das BVerwG formuliert – "eine Zweck-Mittel-Relation, in der die Einreise das Mittel und die Inanspruchnahme von Sozialhilfe den mit ihr verfolgten Zweck bildet", wenn mithin dieser Zweck den Einreiseentschluss geprägt hat (BVerwG, Urteil v. 4.6.1992, 5 C 22/87, BVerwGE 90 S. 212; BSG, Urteil v. 18.11.2014, B 8 SO 9/13 R; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 25.11.1992, 6 S 1449/92, VGHBw-Ls 1993, Beil. 2 B9; BayVGH, Urteil v. 18.3.1993, 12 B 90.3440, FEVS 45 S. 338; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.4.2015, L 9 SO 496/14 B). Es ist für den Ausschluss mithin nicht erforderlich, dass der Sozialhilfebezug das einzige Einreisemotiv war. Ebenso wenig sind vertiefte Kenntnisse des deutschen Sozialleistungssystems erforderlich (vgl. Coseriu, a. a. O., § 23 SGB XII Rz. 54 m. w. N.), um den Sozialhilfebezug als prägendes Motiv der Einreise anzusehen.
Gleichwohl genügt für die Annahme des Leistungsausschlusses nicht, dass der Sozialhilfebezug vom Ausländer lediglich billigend in Kauf genommen wird. Anders als der Anspruchsausschluss nach Abs. 3 Satz 1 2. Alternative folgt aus der Einreise zwecks Sozialhilfebezugs kein Ausschluss für Familienangehörige. Bei diesen muss der Sozialhilfebezug vielmehr grundsätzlich ebenfalls prägendes Motiv gewesen sein, um Leistungen versagen zu können (vgl. zum Ganzen: Coseriu, a. a. O., § 23 SGB XII Rz. 56 ff.).
Rz. 49
Nicht prägend ist der Wunsch, Sozialhilfe zu erlangen, wenn der Ausländer aus Furcht vor politischer Verfolgung oder auf der Flucht vor einem Bürgerkrieg sein Heimatland verlassen und seine mögliche Abhängigkeit von Sozialhilfe in Deutschland als unvermeidbare Nebenfolge dieser Entscheidung in Kauf genommen hat, solange keine Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Fluchtbeendigung vorliegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 26.8.1994, 6 S 1846/94, FEVS 45 S. 457). Das gilt auch dann, wenn der sich berechtigterweise in Deutschland aufhaltende Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlässt (BayVGH, Urteil v. 18.3.1993, 12 B 90.3440, FEVS 45 S. 338; a. A. HessVGH, Beschluss v. 19.1.1994, 9 TG 161/94, FEVS 45 S. 307).
Rz. 50
Von einem ausreichenden finalen Zusammenhang wird man ferner regelmäßig dann nicht ausgehen können, wenn ein Ausländer in die Bundesrepublik Deutschland einreist, um die eheliche oder enge familiäre Lebensgemeinschaft herzustellen oder fortzusetzen (vgl. dazu SG Stade, Beschluss v. 23.12.2014, S 19 SO 159/14 ER; Adolph, a. a. O., § 23 Rz. 90; Schlette, a. a. O., § 23 Rz. 47). Gleiches kann gelten, wenn nach der Einreise der Lebensunterhalt zunächst durch ausreichend vorhandene Mittel von Verwandten sichergestellt ist, bzw. hierauf vertraut wird (vgl. LSG Berlin- Brandenburg, Urteil v. 10.9.2009, L 23 SO 117/06).
Rz. 51
Dagegen besteht ein finaler Zusammenhang zwischen Einreiseentschluss und Inanspruchnahme von Sozialhilfe auch bei der Einreise einer ehemaligen deutschen Staatsangehörigen, die nach langjähriger Abwesenheit wieder in ihre Geburtsstadt und Hei...