Rz. 31
In Abs. 2 und 3 ist eine Aufrechnungsbefugnis des Sozialleistungsträgers geregelt. Das Bestehen einer Aufrechnungsforderung wird vorausgesetzt.
Rz. 32
Aufgerechnet werden kann dabei nach dem Gesetzeswortlaut vom Umfang her "bis auf das jeweils Unerlässliche". Diesbezüglich gilt – trotz der redaktionell bedingten geringfügig anderen Formulierung – das zu Abs. 1 Ausgeführte (vgl. Rz. 26; ebenso: Adolph, in: Linhart/Adolph, a. a. O., § 26 Rz. 57; Holzhey, a. a. O., § 26 Rz. 46).
Rz. 33
Folgende Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein:
Rz. 34
Es muss sich um Ansprüche des Sozialhilfeträgers gegen den Sozialhilfeempfänger handeln (sogenannte Gleichartigkeit der Forderungen: "Sozialhilfe gegen Sozialhilfe"). Der Art nach muss es sich um die Rückforderung von Zahlungen handeln, die im Rahmen der Sozialhilfe erbracht worden sind. Leistungen der Jugendhilfe fallen nicht unter Abs. 2. Ob die Leistung zu Recht im Rahmen der Sozialhilfe erbracht worden ist oder ob eigentlich ein anderer Leistungsträger für sie hätte aufkommen müssen, ist unerheblich. Die Vorschrift regelt die Aufrechnung für den Bereich des SGB XII abschließend, so dass eine Aufrechnung anderer Ansprüche des Sozialhilfeträgers gegen die leistungsberechtigte Person nicht möglich ist (vgl. auch Holzhey, a. a. O., § 26 Rz. 28).
Rz. 35
Der Schuldner der Aufrechnungsforderung muss mit dem Empfänger der Sozialhilfeleistung, gegen die aufgerechnet wird, identisch sein (Gegenseitigkeit der Forderungen). Gegen Leistungen an andere Personen der Haushaltsgemeinschaft und mit Rückforderungen gegen sie kann aufgrund des Grundsatzes der Individualität der Ansprüche nicht aufgerechnet werden (BVerwG, Urteil v. 30.4.1992, 5 C 29/88, NDV 1992 S. 340; vgl. aber zur Eigenhaftung des Vertreters Rz. 41).
Rz. 36
Als Aufrechnungsforderungen kommen zunächst Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe in Betracht, die die leistungsberechtigte Person oder ihr Vertreter durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben oder durch pflichtwidrig unterlassene Angaben veranlasst hat. Vorsatz liegt dann vor, wenn eine der von Abs. 2 umfassten Personen bewusst und gewollt falsche Angaben macht; wobei dem unbedingten Vorsatz der bedingte gleichsteht, bei dem der Handelnde billigend in Kauf nimmt, fehlerhaft zu handeln (Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 26 Rz. 15). Die Definition von grober Fahrlässigkeit ergibt sich aus § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 HS 2. Bei den von § 26 Abs. 2 umfassten Ansprüchen handelt es sich in erster Linie um Erstattungsansprüche nach § 50 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X (vgl. zum Ganzen auch Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 26 Rz. 15; Schlette, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 26 Rz. 47). Voraussetzung für den Erstattungsanspruch ist dabei eine vorherige oder spätestens gleichzeitige Rücknahme des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes. Ferner nennt Abs. 2 Satz 1 als Aufrechnungsforderungen Kostenersatzansprüche aus §§ 103, 104. Anders als noch nach dem insoweit ausdrücklichen Wortlaut des § 25a BSHG dürfte die Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Hilfeempfänger nicht möglich sein (vgl. Rz. 34 und Schlette, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 26 Rz. 54).
Rz. 37
Gegenüber der bis zum 31.12.2004 geltenden Rechtslage erweitert das Gesetz die Haftung bzw. stellt die bis dahin umstrittene Rechtslage in 2 Punkten klar:
Rz. 38
Zum einen steht nunmehr fest, dass auch unrichtige oder unvollständige Angaben des Vertreters zur Haftung führen (vgl. auch Schlette, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 26 Rz. 49). Bislang war die Zurechnung des Vertreterverhaltens umstritten.
Rz. 39
Zum anderen war nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Recht umstritten, ob die unrichtigen oder unvollständigen Angaben nur durch positives Tun "gemacht" werden konnten (so zu § 25a BSHG OVG Lüneburg, Beschluss v. 27.6.1994, 4 M 2959/94; a. A. VG Düsseldorf, Urteil v. 16.6.1995, 21 K 1951/94, und Urteil v. 8.7.1999, 21 K 7358/95) oder ob auch eine pflichtwidrig unterlassene Mitteilung ausreichte. Dieser Streit ist für die ab dem 1.1.2005 geltende Rechtslage beendet, da nach dem nunmehr eindeutigen Gesetzeswortlaut der Anspruch auf zu Unrecht erbrachte Leistungen auch durch pflichtwidriges Unterlassen des Leistungsempfängers veranlasst worden sein kann. Damit sind jetzt auch die Fälle erfasst, in denen der Leistungsempfänger pflichtwidrig eine Änderungsmitteilung i. S. v. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I unterlassen hat (vgl. BR-Drs. 559/03 S. 188).
Rz. 40
Zur Aufrechnung berechtigen darüber hinaus Ansprüche auf Kostenersatz nach §§ 103, 104. Insbesondere handelt es sich dabei um Ansprüche
- wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung der – rechtmäßigen – Sozialhilfeleistung für sich oder andere (§ 103 Abs. 1 Satz 1);
- wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung der – rechtswidrigen – Sozialhilfeleistung für sich oder andere (§ 104);
- wegen vorsätzlicher Ken...