Rz. 45
Abs. 5 trägt dem Umstand Rechnung, dass bestimmte Personenkreise aus medizinischen Gründen einer Ernährung bedürfen, die mit der normalen Versorgung mit Lebensmitteln nicht erreicht werden kann. Ziel ist es, mit dem Zuschlag ernährungsbedingte Gesundheitsschäden abzuwenden oder zu lindern (BSG, Urteil v. 10.5.2011, B 4 AS 100/10 R Rz. 20 m. w. N.).
Rz. 46
Berechtigt sind insoweit nicht nur kranke und von Krankheit bedrohte Personen i. S. d. SGB V (vgl. Komm. zu § 27 SGB V), sondern auch behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen i. S. v. § 2 Abs. 1 SGB IX. Allerdings dürften insoweit aufgrund der Definition in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX häufig Überschneidungen vorliegen. Ferner haben "Genesende" Anspruch auf den Zuschlag. Hierunter können nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Personen verstanden werden, die zwar nicht mehr akut behandlungsbedürftig, jedoch noch nicht vollständig gesundet sind. Auch hier dürfte häufig bereits eine der zuerst genannten Fallgruppen einschlägig sein.
Rz. 47
Der Berechtigte hat – i. d. R. zunächst durch ein entsprechendes ärztliches Attest – zu belegen, dass er überhaupt an einer bestimmten Erkrankung leidet und deswegen einer bestimmten im Vergleich zur Normalernährung/Vollkost teureren Ernährung bedarf (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 9.12.2008, L 13 AS 4462/07 Rz. 24; Heinz, ZfF 2015, 33 ff.). Ggf. sind Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen anzustellen (vgl. Bay. LSG, Urteil v. 22.9.2015, L 8 SO 149/12 Rz. 32 ff.; zur Frage, ab wann eine Pflicht zur Amtsermittlung ausgelöst ist Stotz, Anm. zu BSG, Urteil v. 20.2.2014, B 14 AS 65/12 R, in: jurisPR-SozR 20/2014, SGB XII, Anm. 2 m. w. N.). Erforderlich ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung sowie der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwendigen Ernährung (vgl. BSG, Urteil v. 10.5.2011, B 4 AS 100/10 R Rz. 19; zur schematischen Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen vgl. BSG, Urteil v. 20.2.2014, B 14 AS 65/12 R Rz. 16 ff.).
Rz. 48
Zur besseren Handhabung bei regelmäßig auftretenden Erkrankungen gibt der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge seit 2008 "neue" Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe bzw. (seit 2020) des Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII heraus. Seit dem Inkrafttreten des SGB XII wurden zunächst Empfehlungen 2008 (3. Aufl. v. 1.10.2008, NDV 2008, 503) und 2014 (4. Aufl. v. 10.12.2014, NDV 2015, 1) veröffentlicht. Die aktuellste Fassung (DV 12/20) datiert vom 16.9.2020 und ist am 10.11.2023 redaktionell geändert worden (NDV 2020, 40). Diese lösten die alten Empfehlungen aus dem Jahre 1997 ab (vgl. Heft 48 der Kleineren Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, 2. Aufl. 1997), auf die der Gesetzgeber bei Einführung der Parallelvorschrift des § 21 Abs. 5 SGB II ausdrücklich Bezug genommen hatte (BT-Drs. 15/1516 S. 57). Hintergrund für die Überarbeitung der Empfehlungen in Inhalt und Aufbau waren zwischenzeitlich aufgetretene Zweifel daran, ob die alten Empfehlungen – insbesondere im Hinblick auf Erkrankungen an Diabetes mellitus – noch dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprachen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 8.1.2007, L 15 B 261/06 SO ER Rz. 17; Hess. LSG, Beschluss v. 14.11.2006, L 9 SO 62/06 ER Rz. 11; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 13.10.2006, L 8 SO 97/06 ER Rz. 5 ff.; LSG Nordhein-Westfalen, Beschluss v. 20.1.2006, L 20 (9) B 34/05 SO ER Rz. 2; Sächs. LSG, Urteil v. 7.9.2006, L 3 AS 11/06 Rz. 102 ff.). Die Empfehlungen von 2008 galten nur für Erwachsene (vgl. dort II.2.3). Dieser Mangel wurde durch die Empfehlungen 2014 behoben. Darin sind nunmehr (etwa unter III.2 oder III.3.2.1) Bedürfnisse von Kindern ausdrücklich berücksichtigt.
Rz. 49
Ob bzw. inwieweit die Empfehlungen des Deutschen Vereins bei der Entscheidung über die Zuerkennung einer Krankenkostzulage von Bedeutung sein können/müssen, kann inzwischen insoweit als geklärt angesehen werden, als den Empfehlungen keine Rechtssatzqualität zukommt (BSG, Urteile v. 27.2.2008, B 14/7b AS 32/06 R Rz. 39, und B 14/7b AS 64/06 R Rz. 26; vgl. zur inhaltlichen und methodischen Kritik Bruckermann/Izkowskij, Sozialrecht aktuell 2011, 15). Dementsprechend steht auch einer rückwirkenden Berücksichtigung neuer oder aktualisierter Empfehlungen für Sachverhalte in der Vergangenheit nichts entgegen (vgl. BSG, Urteil v. 10.5.2011, B 4 AS 100/10 R Rz. 23 m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 23.5.2011, L 15 SO 251/08 Rz. 23 m. w. N.). Ein Betroffener kann sich also z. B. für die Geltendmachung einer Krankenkostzulage wegen Diabetes mellitus im Jahr 2007 nicht darauf berufen, es hätten noch die Empfehlungen aus dem Jahre 1997 gegolten.
Rz. 50
Die Empfehlungen sind auch keine antizipierten Sachverständigengutachten (BSG, Urteile v. 22.11.2011, B 14 AS 138/10 R, Rz. 18 ff. m. w. N., v. 14.2.2013, B 14 AS 48/12 R Rz. 16, v. 20.2.2014, B 14 AS 65/...