Rz. 47
In den Genuss der Karenzzeit kommen zunächst Personen, die erstmals nach Einführung der Karenzzeit zum 1.1.2023 Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII erhalten. Dass es sich dabei um Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel handeln muss, ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des Abs. 1 Satz 2 ("Leistungen nach diesem Buch"), jedoch aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschrift, insbesondere aus Satz 5. Darin werden die Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII ausdrücklich erwähnt (so auch Scheider, in: Wolters Kluver Online).
Rz. 48
Darüber hinaus haben Personen, die bereits bei Inkrafttreten der Karenzzeit laufend Leistungen nach dem SGB XII beziehen, (grundsätzlich) Anspruch auf Anerkennung auch unangemessener Aufwendungen für die Unterkunft ab dem 1.1.2023 für die Dauer eines Jahres. Denn nach der Übergangsregelung in § 140 Abs. 1 bleiben Zeiten eines Leistungsbezugs nach dem SGB XII bis zum 31.12.2022 bei der Karenzzeit unberücksichtigt. Abweichendes gilt nur, sofern die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 erfüllt sind. Danach gelten die Regelungen über die Karenzzeit in § 35 Abs. 1 Sätze 2 bis 6 nicht, wenn bei Leistungsberechtigten, die schon vor dem 1.1.2023 Leistungen nach dem SGB XII bezogen haben, in einem der vorangegangenen Bewilligungszeiträume für die aktuell bewohnte Unterkunft nicht die tatsächlichen Aufwendungen, sondern nur die angemessenen Aufwendungen anerkannt worden sind. Für diesen Personenkreis besteht nach Auffassung des Gesetzgebers kein Bedürfnis, mit Einführung der Karenzzeit wieder die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anzuerkennen; denn diese Leistungsberechtigten haben die Herabsetzung der Bedarfe für Unterkunft auf das angemessene Maß zu einem früheren Zeitpunkt akzeptiert und ihre Aufwendungen auch nicht gesenkt (vgl. BT-Drs. 20/4360 S. 39).
Rz. 49
Die Karenzzeit gilt gemäß § 42a Abs. 1 Satz 2 nicht für Leistungsberechtigte in besonderen Wohnformen, die unter § 42a Abs. 3 und 5 bis 7 fallen (vgl. dazu weiter unten und die Komm. zu § 42a).
Rz. 50
Nicht uneingeschränkt gilt die Karenzzeit nach § 35 Abs. 1 Satz 3 HS 2 für Leistungsberechtigte, die während des Leistungsbezugs die Unterkunft wechseln. Nach jener Vorschrift bleibt § 35a Abs. 2 Satz 2 unberührt. Dieser bestimmt, dass die Aufwendungen für die neue Unterkunft und Heizung grundsätzlich nur in angemessener Höhe als Bedarf anzuerkennen sind, es sei denn, der Sozialhilfeträger hat den darüber hinausgehenden Aufwendungen zuvor zugestimmt. Durch den Verweis in § 35 Abs. 1 Satz 3 HS 2 auf § 35a Abs. 2 Satz 2 wird sichergestellt, dass bei einem Unterkunftswechsel auch während der Karenzzeit regelmäßig nur angemessene Unterkunftskosten zu berücksichtigen sind. Entsprechend regelt § 35a Abs. 2 Satz 4, dass innerhalb der Karenzzeit nach § 35 Abs. 1 Satz 2 höhere als angemessene Aufwendungen für die Unterkunft nach einem Umzug nur dann (ausnahmsweise) als Bedarf anzuerkennen sind, wenn der Träger der Sozialhilfe die Anerkennung vorab zugesichert hat (vgl. dazu im Einzelnen die Komm. zu § 35a).
Die Regelungen beruhen darauf, dass der Sinn der Karenzzeit, Leistungsberechtigten die bei Beginn des Leistungsbezugs schon vorhandene Wohnung für die Dauer der Karenzzeit zu erhalten, bei einem Umzug innerhalb der Karenzzeit entfällt. Zudem sollen unnötige Mehrkosten wegen eines Umzugs vermieden werden, der unter Ausnutzung der Regelungen zur Karenzzeit erfolgt (vgl. zu alledem BT-Drs. 20/4360 S. 35).